Beirut - Im Libanon ist der Vermerk der Religionszugehörigkeit in amtlichen Personaldokumenten nicht mehr pflichtig. Laut einem vom Innenministerium in Beirut kundgemachten Regierungsbeschluss erfolgt die Eintragung künftig nur auf freiwilliger Basis. Es gibt in dem Levante-Staat insgesamt 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, von denen die Schiiten, die Sunniten und die christlichen Maroniten die größten sind. Seit 1932 ist kein Zensus mehr erhoben worden. Während des Bürgerkrieges (1975-90) mit 150.000 Toten wurden zahlreiche Menschen lediglich aufgrund des Religionsvermerks im Personalausweis umgebracht.

Das aus einer Kammer bestehende libanesische Parlament mit 128 Abgeordneten ist aus 64 Muslimen und 64 Christen zusammengesetzt. Die nächsten allgemeinen Wahlen finden im Mai statt. Nach dem institutionalisierten Religionsproporz ist der Staatspräsident stets maronitischer Christ, der Regierungschef sunnitischer und der Parlamentsvorsitzende schiitischer Muslim. Derzeit amtiert in Beirut ein Allparteienkabinett unter Ministerpräsident Fouad Siniora, in dem die frühere Opposition unter Führung der Schiitenbewegung Hisbollah über eine Sperrminorität verfügt.

Demos gegen Konfessionalismus

Am gestrigen Montag begannen im ganzen Land Gedenkfeiern zur Erinnerung an den Beginn des Bürgerkrieges vor 34 Jahren. Der Dauerkonflikt zwischen Glaubensgemeinschaften, politischen Strömungen und sozialen Schichten auf einem Nebenschauplatz der Nahost-Krise hatte weitgehend die Funktion eines Stellvertreterkrieges und führte zur direkten Intervention der Nachbarländer Israel und Syrien.

In Beirut forderten am Montag überwiegend jugendliche Demonstranten die "Befreiung vom Konfessionalismus". Ein sogenannter Friedensbus, der in alle Landesteile fährt, wurde in der Hauptstadt verabschiedet. Der Bürgerkrieg begann am 13. April 1975: An diesem Tag wurden 27 Palästinenser aus dem Beiruter Flüchtlingslager Sabra getötet, als christliche Milizionäre der rechtsgerichteten Falange-Partei (Kataeb) das Feuer auf einen PLO-Bus eröffneten. In den folgenden drei Tagen starben bei Straßenkämpfen in Beirut und anderen Städten 300 Menschen. Zunächst behielten die christlichen Kampfverbände die Oberhand. Wie das Land zerfiel auch die reguläre multikonfessionelle Armee nach einem Putschversuch im März 1976 in verschiedene Blöcke. Der Krieg nahm an Heftigkeit zu.

Im Juni 1976 verhinderte Syrien durch sein militärisches Eingreifen mit einer Vollmacht der Arabischen Liga die drohende Niederlage des christlichen Lagers. Die Falange bemühte sich um den Beistand Israels, das seine Truppen 1978 und 1982 einmarschieren ließ und die PLO aus Beirut vertrieb. Zu Massakern kam es in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila. Der Milizführer Bechir Gemayel, Sohn des Falange-Gründers Pierre Gemayel, wurde in dem von israelischen Truppen eingenommenen Ost-Beirut von einem Rumpfparlament zum Präsidenten gewählt, verlor aber kurz darauf bei einem Bombenattentat im September 1982 das Leben. Ein von Israel diktierter Separatfrieden wurde 1983 vom libanesischen Parlament nicht ratifiziert. Vom Iran wurde für den Export der islamischen Revolution die schiitisch-fundamentalistische "Hisbollah" (Partei Gottes) geschaffen. Selbstmordkommandos verübten blutige Anschläge, im Oktober 1983 kamen bei der Detonation eines mit 900 Kilogramm Sprengstoff beladenen Lastwagens in ihrem Hauptquartier 230 US-Marines und 58 französische Fallschirmjäger ums Leben, die nach der israelischen Invasion in Beirut stationiert worden waren.

Erst 1990 - nach dem Zusammenbruch einer christlichen Rebellion des Generals Michel Aoun gegen die Syrer - endete der Bürgerkrieg. Eine "Charta der Nationalen Versöhnung" legte das Fundament für ein neues Regierungssystem. Gleichzeitig wurde Syriens Rolle als Ordnungsmacht im Libanon verankert. Nach dem Mordanschlag auf Ex-Premier Rafik Hariri und der "Zedernrevolution" 2005 musste Syrien seine Truppen aus dem Libanon abziehen. Mit Raketenangriffen ihrer Miliz provozierte die Hisbollah im Sommer 2006 eine israelische Militäroffensive. In dem 34-tägigen Krieg gelang es Israel aber nicht, die Schiitenorganisation zu schwächen. (APA/AFP)