Sollen gescheiterte Manager dennoch zugesagte Boni erhalten? Rechtssicherheit und Gerechtigkeit stehen einander hier diametral gegenüber.

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Wenn Manager, deren Unternehmen staatliche Hilfe benötigen, auf ihre Boni pochen, dann haben sie die Judikatur des OGH auf ihrer Seite. Dies könnte sichaber in zukünftigen Entscheidungen ändern.

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Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Öffentlichkeit, als bekannt wurde, dass Unternehmen, die milliardenschwere Unterstützungen durch den Staat zur Abwehr ihrer Insolvenz erhielten, Teile davon für Manager-Boni verwendeten. Und zwar auch an jene, die mitverantwortlich an der Misere des Unternehmens waren.

Rein rechtlich betrachtet steht diesem Volkszorn der Grundsatz "pacta sunt servanda" gegenüber: Vertrag ist Vertrag. Eine Position, die zuletzt die abberufenen Vorstände der Dresdner Bank artikulierten. Denn nicht ganz unrichtig können Manager argumentieren, dass sie die Boni für eine frühere erfolgreiche Tätigkeit und nicht für ein Versagen in der Gegenwart erhalten. Grundsätzlich jedoch ist bei der Prüfung zwischen staatsnahen (vom Rechnungshof geprüften) und privaten Unternehmen zu unterscheiden. Für Zweitgenannte gilt das Stellenbesetzungsgesetz, das im Wesentlichen Entgeltsbeschränkungen in staatsnahen Unternehmen regelt, die nicht überschritten werden dürfen.

So sieht das Gesetz vor, dass Anstellungsverträge bei Vorliegen eines verschuldeten wichtigen Grundes vorzeitig - ohne weitere Verpflichtungen des Unternehmens - aufgelöst werden können müssen. Liegen andere wichtige (ggf. auch unverschuldete) Gründe vor, muss darüber hinaus eine Kündigung unter Einhaltung einer Sechsmonatsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres durch das Unternehmen vorgesehen werden.

Die rechtliche Möglichkeit einer Kündigung des Anstellungsvertrages mit halbjähriger Frist erweist sich in der Praxis als durchaus scharfe Waffe. Vorausgesetzt, die zuständigen Politiker, in deren Verantwortungsbereich das jeweilige Unternehmen fällt, trauen sich (politisch) auch tatsächlich, sie einzusetzen. Zumeist bedeutet dies, dass der Mehrheitseigentümer mittels förmlichen Beschlusses dem gesamten Vorstand oder einzelnen Vorstandsmitgliedern das Vertrauen entzieht. Danach kann der Aufsichtsrat eine Auflösung des Anstellungsvertrages noch vor Ablauf der vereinbarten Vertragsperiode vornehmen. Ein "Auszahlen" der gesamten Vertragsperiode könnte in Österreich so rechtlich vermieden und damit dem Steuerzahler erhebliche Beträge erspart werden.

Vertragliche Regelung

Bei rein privaten Unternehmen sind erleichterte Auflösungsmöglichkeiten nicht gesetzlich vorgesehen, sondern müssen vertraglich geregelt werden. In der Praxis kommen vergleichbare Auflösungsklauseln eher nicht oder nur selten oder mit erheblich längeren Kündigungsfristen vor.
Von der Auszahlung der Vertragslaufzeit infolge vorzeitiger Auflösung zu unterscheiden sind Bonuszahlungen, die im Regelfall an das Erreichen bestimmter Erfolgskriterien geknüpft sind.

Die Vertreter des "Vertrag ist Vertrag" -Arguments haben bisher auch den Obersten Gerichtshof auf ihrer Seite. Dieser differenzierte bei seiner Entscheidung "Voest Pensionen" Ende der 1980er-Jahre zwischen Pensionsbeziehern, die ihren Anspruch auf eine Betriebsvereinbarung stützten, die ausdrücklich einen Widerrufsvorbehalt im Falle wirtschaftlicher Schieflage vorsah, und Mitarbeitern mit auf einzelvertraglicher Basis beruhenden Pensionsverträgen, die einen derartigen Widerrufsvorbehalt nicht vorsahen.
Entgegen der in der Lehre vertretenen Rechtsauffassung, dass Pensionsverträge der "clausula rebus sic stantibus" (Umstandsklausel) unterliegen und daher auch ohne ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt bei wesentlich geänderten Umständen angepasst werden könnten, entschied sich der OGH für die Beibehaltung des Grundsatzes "Vertrag ist Vertrag" und lehnte eine Vertragsanpassung oder einen Widerruf der Pensionsverträge wegen maßgeblich verschlechterter wirtschaftlicher Verhältnisse ab. Bei den Belegschaftsmitgliedern, deren Anspruch auf einer Betriebsvereinbarung beruhte, wurde die Widerrufsmöglichkeit hingegen bejaht, da in der Betriebsvereinbarung die rechtliche Möglichkeit des Widerrufs im Falle einer Krisensituation vorgesehen war.

So stehen sich Rechtssicherheit und Gerechtigkeit diametral gegenüber. Wesentlich ist, dass zur Vermeidung von weitreichender Rechtsunsicherheit eine Anwendung der Umstandsklausel nur bei extremer Schieflage sachlich berechtigt erscheint.

Bei der Auszahlung von Boni an Manager, die ein Unternehmen in die Insolvenz geführt haben und staatliche Hilfe benötigen, scheint die Anwendung der Umstandsklausel jedoch sehr wohl angebracht. Es kann nicht angenommen werden, dass redliche Vertragsparteien derartige Bonuszahlungen auch dann vereinbart und nicht angepasst hätten, hätten sie die existenzielle Krise vorhergesehen oder vorhersehen können.

Ob der OGH heute wieder wie damals bei der Voest entschieden hätte, bleibt dahingestellt. Gerade hohe Bonuszahlungen an Manager in Zeitpunkten, in denen das Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht und zum Überleben öffentliche finanzielle Unterstützung braucht, wäre als (extremer) Anlassfall für eine Judikaturwende durchaus denkbar. (Bernhard Hainz, DER STANDARD, Printausgabe, 15.4.2009)