Wer auf der Website der Wiener Grünen seiner Sympathie mit der Partei Ausdruck verleihen will, hat die Wahl zwischen Zitron, Kirsch und Kiwi.
Während eifrige Menschen vom "Typ Zitron" zur Mitarbeit an konkreten Grünen-Projekten eingeladen werden und ideologisch gefestigte "Kirsch-Typen" gleich Parteimitglied werden können, wird den "Kiwis" eine relativ entspannte Beziehung zu den Grünen nahegelegt: "Du willst uns moralisch und eventuell auch finanziell unterstützen, ohne einen Finger zu rühren und ohne der Partei beizutreten. Du solltest Unterstützer/in werden."
Dieser Einladung wollen seit vergangener Woche einige hundert Wiener folgen. Aus gutem Grund. Was nämlich auf der grünen Website nicht gleich verraten wird, aber im Kleingedruckten des Parteistatuts geschrieben steht: Als registrierter "Unterstützer" erwirbt man das Privileg, im November die Kandidatenliste der Wiener Grünen für die Gemeinderatswahlen mit zu bestimmen. Obwohl dieses Überbleibsel aus der Gründungszeit der Alternativbewegung Basisdemokratie genannt wird (einer der sechs "Grundwerte" der grünen Partei), wurde dieses Recht bisher hauptsächlich von überschaubaren "Freundeskreisen" amtierender Abgeordneter genützt.
Wer sind diese Leute?
Das soll sich jetzt ändern. Eine kleine Gruppe rund um den in der Internetszene bekannten Blogger Helge Fahrnberger hat begonnen, auf der Website www.gruenevorwahlen.at andere Grün-Sympathisanten zu reger Teilnahme an dieser Listenwahl aufzurufen: Gemeinderäte und Parlamente seien voll von Abgeordneten, "die an den Wählerinnen und Wählern vorbeigeschummelt worden sind" , heißt es auf der Homepage der Proponenten. Und: "Wer sind diese Leute eigentlich? Und wofür stehen die überhaupt? Wir wollen mitbestimmen, wer uns vertreten wird!"
Nicht einmal ein Barack Obama hätte in der österreichischen Funktionärsdemokratie Chancen gehabt, an wählbarer Stelle gereiht zu werden, meint der in der Szene prominente Autor Klaus Werner-Lobo, der die Grünen sanft zur Öffnung und stärkeren Einbeziehung ihrer Wähler zwingen will.
In der grünen Partei haben die von der plötzlich aktiven "Basis" ausgerufenen Vorwahlen einigen Staub aufgewirbelt. Während Parteipromis wie Klubobfrau Maria Vassilakou das einzig Richtige taten und die Initiative bereits aktiv unterstützen, gibt es in der zweiten bis dritten Funktionärsreihe nicht nur Begeisterung:
Das sei ein elitäres Projekt einer gut vernetzten Gruppe, die mit mühevoller Bezirksgruppenarbeit nichts am Hut habe, sondern nur massiv Einfluss auf die grüne Listenwahl nehmen wolle. Das sei Lobbyismus und nicht Basisdemokratie, monieren jene, die bei intensiverer Mitsprache offenbar die Chance auf ein eigenes Mandat schwinden sehen.
Ganz unbegründet ist diese Empörung nicht: Eine Partei ist mehr als ein "Wahlverein" , der alle fünf Jahre die "besten Köpfe" wählt - in der Hoffnung, diese würden dann schon das Richtige tun. Eine Partei benötigt auch Funktionäre, die den Laden zusammenhalten. Neben schillernden Einzelfiguren sind auch Teamspieler nötig, die für die notwendige Bodenhaftung sorgen und gewissenhafte politische Basisarbeit leisten.
Doch die empirische Betrachtung gibt den KritikerInnen der Grünen recht: Wer heute nicht aus dem Parteiapparat oder einer seiner Vorfeldorganisationen kommt, wer weder Beamter noch Gewerkschafter ist und auch keine beruflichen Wurzeln in einer politischen NGO hat, für den existiert bei den Grünen offenbar eine "gläserne Decke" im Karriereverlauf.
Wie ist es sonst zu erklären, dass von den 20 grünen Nationalratsabgeordneten und den 16 Wiener Gemeinderäten so gut wie keine Person berufliche Erfahrungen in der Privatwirtschaft gesammelt hat oder gar einen halbwegs "normalen" Beruf ausübt? "Wo sind die innovativen Quereinsteiger wie parteifreie Solarenergie-Unternehmer, Koryphäen aus Wissenschaft und Wirtschaft?" , schreibt Fahrnberger.
Und diese doch eher einseitige Personalauswahl der Grünen hat offenbar Auswirkungen auf die Performance der Partei: Dass die Grünen den Kontakt zu "normalen Menschen" verloren haben, dass sie in einer Sprache kommunizieren, die viele nicht verstehen, dass sie oft visions- und ideenlos wirken und in einem elfenbeinturmartigen Paralleluniversum Themen behandeln, die mit den wirklichen Sorgen der Menschen wenig bis nichts zu tun haben, hört man auch in Gesprächen mit wohlgesinnten Wählern immer wieder.
Die Grünen wären also gut beraten, würden sie diese Vorwahl-Initiative nicht als bedrohliche Einmischung, sondern als dringend nötige Frischzellenkur verstehen. Als Wertschätzung und konstruktiven Beitrag jener Wähler, denen die grüne Partei ganz einfach wichtig ist und am Herzen liegt.
Auf der anderen Seite werden die Fans der Initiative, die bequem per Mausklick in Internet-Foren und Facebook-Fangruppen ihrer Begeisterung Ausdruck verliehen haben, erfahren, dass es durchaus anstrengend sein kann, als grüner "Kiwi-Typ" für die Partei "keinen Finger zu rühren" : Wer je einen Sonntag für eine 14-stündige Wahlversammlung der Grünen geopfert hat, der weiß, dass es für echte Basisdemokratie mehr braucht als einen WLAN-Zugang. Gut trainiertes Sitzfleisch wird in den Abendstunden zur Überlebensfrage. (Volker Plass, DER STANDARD-Printausgabe, 15. April 2009)