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Wien - Die Krise verschärft in allen Handelssparten den Wettbewerb. Firmen müssen sich jetzt einiges einfallen lassen, wollen sie die Lust am Konsumieren erhalten. Ein Industriezweig, der sich trotz angespannter Wirtschaftslage mit vielen Neulancierungen interessant macht, ist die Kosmetik. Vor allem in die Bereiche Anti-Aging, Make-up sowie Haar- und Zahnpflege wurde massiv investiert. Geht die Rechnung der Unternehmen auf?
Bisher sieht es danach aus, sagten Branchenexperten der APA. Weil die Kunden sich gerade jetzt wenigstens "den kleinen Luxus" nicht nehmen lassen wollen. Weil man wieder mehr Zeit zu Hause verbringt, wo man es sich dann gerne gut gehen lässt. 2008 wurden 1,4 Milliarden Euro für Kosmetikprodukte ausgegeben. Allein im Lebensmittelhandel und bei Drogeriemärkten (ohne Hofer und Lidl) betrug der Umsatz laut Nielsen-Erhebung 879,3 Millionen Euro. Das war noch ein Plus von knapp vier Prozent gegenüber 2007. Drogeriemärkte verbuchten sogar ein Wachstum von fünf Prozent.
"Stabile Situation"
Für heuer sind die Prognosen vorsichtiger, aber doch vergleichsweise optimistisch. "Es kann schon sein, dass wir die vier Prozent (Wachstum, Anm.) nicht mehr sehen. Aber zwei bis drei Prozent werden es schon werden", sagte Ulrich Schmidt, Sprecher der firmenneutralen Branchenplattform Kosmetik transparent, im APA-Gespräch. Die ersten drei Monate hätten schon eine "ganz stabile Situation" gezeigt.
Allerdings nicht quer durch alle Segmente: Die Daten aus dem Luxusmarkt mit Preisen von mehreren hundert Euro für 50 Milliliter Creme seien "eher nicht wachsend". Denkbar sei, dass an der Umsatzpyramide ganz oben, bei den sehr teuren Produkten, ein Brocken abbricht, der dafür dem mittleren Segment zugutekommt, meint Schmidt, Chef von Beiersdorf Österreich.
"Krisen-Chic"
Diese Einschätzung passt gut mit einem neuen Trend zusammen, der in den USA schon zahlreiche Anhängerinnen gefunden hat: der "Krisen-Chic" der von der "Fashionista" zur "Recessionista" mutierten Käuferin. "Recessionistas" geben sich bescheiden, schlicht und geerdet. Ihr Credo ist die selbst auferlegte Sparsamkeit.
Ein weiterer Grund für das bisher vergleichsweise gute Abschneiden der Kosmetik ist laut Irene Salzmann von Nielsen der von der Krise mitausgelöste Trend zum "Cocooning". Der englische Begriff meint das "sich in einen Kokon einspinnen", das viele Leute derzeit als "Stubenhocken mit allen Schikanen" für sich entdecken: mehr Zeit daheim, mehr Zeit für sich, mehr Zeit für Wellness- und Schönheitspflege statt teurer Aktivitäten außer Haus. "Wir merken das auch an den starken Steigerungen beim Absatz von Grundnahrungsmitteln", sagte Salzmann. "Die Menschen sind wieder mehr zu Hause und kochen auch wieder."
Weniger große Anschaffungen
Der Anteil der Kosmetikeigenprodukte des Handels ist im Vergleich zu anderen Warengruppen wie Lebensmittel oder Drogeriewaren nach wie vor gering. Markenkosmetika waren 2008 für mehr als 83 Prozent des Marktwachstums verantwortlich. Die Markenhersteller bestritten mit ihren Innovationen den Großteil des Anstiegs, betonte Schmidt. Der Konsument suche "den kleinen Luxus im Alltag, gerade jetzt".
Zurückgestellt würden eher größere Anschaffungen. Pflegemittel seien weniger von der neuen Sparsamkeit betroffen, so Salzmann. Auch Schmidt sieht "keine Effekte, die stark in den Massenkonsum hineingehen". Nicht zuletzt reagiere der Handel mit vermehrter Promotion wie Sonderangeboten. "Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird wichtiger", sagte Irene Salzmann. "Marken, die preislich 'dazwischen liegen' und nicht eindeutig positioniert sind, werden stärker kritisch gesehen." Dauerhafte Preissenkungen sieht Schmidt nicht kommen. "Wer das macht, hat schon verloren", meint der Manager.
Besonders gern gekaufte Kosmetika sind derzeit übrigens Lippenstifte, Make-up und Düfte. "Schon in den 1920ern konnte der sogenannte Lipstick-Effekt beobachtet werden. Die Frauen kauften trotz Wirtschaftskrise verstärkt Lippenstifte. Dieser Effekt ist jetzt ebenfalls zu beobachten." (APA)