Peking - Im Vorfeld des 20. Jahrestags des Massakers auf dem Pekinger Tiananmen-Platz hat die chinesische Polizei einen Dissidenten festgenommen und weitere Regimekritiker unter schärfere Bewachung gestellt. Der bekannte Dissident Qi Zhiyong, der bei dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 durch eine Schussverletzung ein Bein verloren hatte, teilte der Nachrichtenagentur AFP per SMS mit, die Polizei habe ihn am Mittwoch festgenommen. "Als ich um 7.00 Uhr hinausgegangen bin, um mein Kind zur Schule zu bringen, wurde ich von der Staatssicherheitspolizei in einen Polizeiwagen gezerrt", schrieb der 52-Jährige. Die Beamten hätten ihn in einen Pekinger Vorort gebracht. Ein Sprecher der Polizei sagte, er wisse nichts über eine Festnahme von Qi.
Nach Qis Einschätzung stand seine Festnahme im Zusammenhang mit dem 20. Todestag des abgesetzten KP-Generalsekretärs Hu Yaobang. Er war 1987 in Ungnade gefallen. Sein Tod am 15. April 1989 ließ Rufe nach politischen Reformen laut werden, die schließlich in den brutal niedergeschlagenen Protesten auf dem Tiananmen-Platz gipfelten. Damals starben hunderte Menschen. In den chinesischen Medien war von Hus Todestag am Mittwoch keine Rede.
Verschärfte Überwachung
Die Organisation "Chinesische Menschenrechtsverteidiger" erklärte unterdessen, die Sicherheitskräfte hätten die Überwachung einiger Dissidenten verschärft. "Heute ist ein Tag, an dem die Polizei Leute vor den Wohnhäusern von Dissidenten postierten und sie observieren", sagte Forschungskoordinatorin Wang Songlian. Einigen sei befohlen worden, nicht zu Treffen mit anderen Dissidenten zu gehen. Der Dissident Jiang Qisheng berichtete am Telefon, die Polizei beobachte ihn pausenlos. Seine Observierung habe bereits anlässlich des Volkskongresses im März begonnen.
In Hongkong begann eine Studentenvereinigung über eine kritische Erklärung zum Tiananmen-Massaker abzustimmen. In dem Entwurf wird die chinesische Regierung aufgefordert, ihre Haltung zu der blutigen Niederschlagung der Proteste zu "korrigieren" und Verantwortung zu übernehmen. "Nach 20 Jahren der Leugnung und Ungerechtigkeit hat die Welt genug", heißt es in dem Text. Die Abstimmung sollte am Donnerstag abgeschlossen sein. Das Sonderverwaltungsgebiet Hongkong, frühere britische Kronkolonie, ist die einzige Region in China, in der Kritik an dem Massaker toleriert wird. (APA/AFP)