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Antirassistische Organisationen wehren sich gegen einen geplanten Aufmarsch von Neonazis im Kulturhauptstadtjahr.

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In der Kulturhauptstadt erinnern viele Kunst-Projekte an die NS-Vergangenheit.

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Auch im Stadtbild sind Spuren aus der NS-Zeit vorhanden: Die Nibelungenbrücke und die angrenzenden Brückenkopfgebäude.

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Severin Mayr von den Grünen brachte im Gemeinderat einen Antrag ein, dass sich Linz zur Ablehnung jeglicher demokratie- und fremdenfeindlicher sowie rechtsextremer Tendenzen und Entwicklungen bekennt.

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Michael Lindner von der SJ ruft zum Lichterzug gegen Rechts auf: "Man kann nicht bald genug dagegen auftreten."

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"Als Baustoff für die Nibelungenbrücke kommt unter anderem Granit zum Einsatz, der im nahe gelegenen KZ Mauthausen unter brutalsten Bedingungen abgebaut wird", steht in Graffiti-ähnlichen Buchstaben im Steinboden der Nibelungenbrücke in Linz geschrieben. Die 250 Meter lange und 30 Meter breite Brücke verbindet die Linzer Innenstadt mit dem auf der anderen Seite des Donauufers gelegenen Stadtteil Urfahr. Passanten marschieren an den sogenannten "Stencils" vorbei, manche bleiben stehen und lesen die Zeilen, anderen fällt das Kunstwerk gar nicht sonderlich auf. "In Situ" heißt es und ist im Rahmen von Linz 09 entstanden.

Es soll an die NS-Vergangenheit der Kulturhauptstadt erinnern. An 65 Stellen in der ganzen Stadt haben die Künstlerinnen verschiedene Sprüche im Stadtbild angebracht, so auch auf der Brücke, die 1938 errichtet wurde. Adolf Hitlers Plan war es, die Stadt Linz nach seinen architektonischen Vorstellungen umzugestalten. Die Nibelungenbrücke, die angrenzenden Brückenkopfgebäude und eine Wohnsiedlung im Bezirk Urfahr, die immer noch umgangssprachlich als "Hitler-Bauten" bezeichnet wird, manifestiert sein Vorhaben bis heute.

Das von den Künstlerinnen erwähnte KZ Mauthausen, das ist auch jene Gedenkstätte, die im Februar dieses Jahres von bisher unbekannten Tätern geschändet wurde. Es wird ein rechtsextremer Hintergrund vermutet. Ein Vorfall, der für Robert Eiter, den Sprecher des oberösterreichischen Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsradikalismus, nur das Tüpfelchen auf dem I ist. In den vergangenen Monaten sei es zu einer Häufung der rechtsextrem motivierten Taten gekommen, sagt er zu derStandard.at. Seit 2001 ist Eiter im Netzwerk engagiert, das die vielen Gruppen und Organisationen, die in Oberösterreich antifaschistisch arbeiten und antirassistisch tätig sind, zusammenfasst. Es ist ein europaweit einzigartiges Netzwerk, sagt er sichtlich stolz - jedoch mit dem Nachsatz, dass sich eben die Notwendigkeit ergebe, weil sich "leider genug an rechtsextremen und rassistischen Umtrieben tut und wir dem aktiv entgegen treten wollen".

Neonazi-Aufmarsch am ersten Mai

Eiter hat zum Gespräch in die Arbeiterkammer in der Linzer Volksgartenstraße gebeten. Es gebe in letzter Zeit laufend Versuche der umstrittenen Rechtspartei NVP ("Nationale Volkpartei") Kleinkundgebungen durchzuführen, berichtet er. Die NVP, das ist eine Partei, deren Mastermind der in der rechtsextremen Szene bekannte Robert Faller ist. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) bezeichnet die NVP als "offen rechtsextrem". Die Partei weise "zahlreiche Berührungspunkte zum Neonazismus" auf. Für den 18. April und den ersten Mai hat die NVP Aufmärsche angekündigt, ersterer wurde von den Behörden bereits wegen Sicherheitsbedenken und der Annahme, dass es sich bei der NVP um eine "rechtsextreme, fremdenfeindliche und rassistische Partei" handle untersagt, für zweiteren ist Ähnliches zu erwarten. Für Aufregung hat zuletzt auch eine Anzeige des Chefdirigenten des Linzer Bruckner Orchesters Dennis Russel Davies gesorgt. Er hat wegen eines Aufklebers, der ein Zigarettenpackerl mit der Aufschrift "Gemischte Sorte - Zuwanderung kann tödlich sein" zeigt, Anzeige gegen den Ring freiheitlicher Jugend (RFJ) erstattet.

Ein Zufall im Kulturhauptstadtjahr, das zuletzt heftig kritisiert wurde, weil es sich angeblich zu sehr mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftige? Ja, glaubt Eiter. Zwar stehe Linz zur Zeit verstärkt in der Medienöffentlichkeit, und das biete zusätzliche Anreize für Neonazis. Die Gründe für die rechten Tendenzen im allgemeinen hätten aber mit Migrantenfeindlichkeit zu tun, und nichts mit einer ideologischen Verfestigung: "Und es liegt auch an der Wirtschaftskrise, dass es derzeit noch schlimmer geworden ist."

Antrag im Gemeinderat

Die Linzer Stadtpolitik sah sich zuletzt anlässlich der geplanten Kundgebung von Neonazis jedenfalls gezwungen, im Gemeinderat einen Antrag mit einem Bekenntnis der Ablehnung jeglicher demokratie- und fremdenfeindlicher sowie rechtsextremer Tendenzen und Entwicklungen, zu verabschieden. Alle Parteien außer der FPÖ stimmten zu. Der Antragssteller war Gemeinderat Severin Mayr von den Grünen. Er sitzt im Cafe Meier in der Nähe vom Linzer Hauptplatz und erläutert: "In Braunau hat sich der Bürgermeister relativ schnell distanziert und klare Worte gegen den Aufmarsch gefunden. In Linz hat das ein bissl gedauert." Dass die FPÖ dem Antrag nicht zugestimmt hat, ruft bei ihm Kopfschütteln hervor. "Die Begründung war irre", sagt er, "sie haben gemeint, dass man nicht dauernd über die Nazi-Zeit reden soll, weil das ein so schlechtes Bild auf die Stadt wirft, wenn man sich die Medienberichte anschaut."

Für Zündstoff sorgte in der Tat vor einiger Zeit ein Artikel im Magazin "Live" der britischen Zeitung "Daily Mail", in dem vor Österreichs Rechtsextremisten gewarnt wird. Österreich sei zum "weltweiten Fokus der Neonazis" geworden, schrieb der Journalist Billy Briggs.

NS-Aufarbeitung im Kulturhauptstadtjahr

Im Gemeinderats-Antrag wird auch das nationalsozialistische Erbe von Linz erwähnt und dass sich dessen die Verantwortlichen der Stadt Linz bewusst sind. Im Kulturhauptstadtjahr widmen sich deshalb gleich mehrere Projekte der NS-Vergangenheit der ehemaligen Lieblingsstadt Hitlers. So gab es zum Beispiel neben dem oben beschriebenen Projekt "In Situ" auch die Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers", an dessen Titel sich viele gestoßen haben. 62.000 haben sie dennoch besucht. Der Linzer Historiker Roman Sandgruber hat in einem Kommentar in den Oberösterreichischen Nachrichten kritisiert, dass Linz und die hier waltende Politik immer noch Erfüllungsgehilfen der NS-Zeit seien. Andere, wie etwa die Historikerin Brigitte Kepplinger kritisieren, dass Linz 09 mit dem Ansatz "Hitler sells" Geschäft machen wolle.

"In Linz ist das halt jetzt wieder Thema geworden. Ich glaube nicht, dass das in einer anderen Stadt anders wäre", sagt Mayr.

Suchen nach Medienöffentlichkeit

Die Kulturhauptstadt als Bühne für Neonazis? Daran glaubt auch Michael Lindner. Er ist Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ) in Oberösterreich, hat sein Büro in der Linzer Landstraße. Aber er glaubt nicht, dass die gezielte Provokation Anlass für den Aufmarsch ist, sondern das Medieninteresse im Kulturhauptstadtjahr. "Sie suchen nach Medienöffentlichkeit", sagt er. Die SJ hat aus dem Grund am Tag vor dem geplanten Maiaufmarsch, am 30. April, einen Lichterzug organisiert. "Es braucht ein starkes, öffentliches Zeichen", sagt Lindner. Der Lichterzug richtet sich nicht nur gegen den Aufmarsch der NVP, sondern "gegen alle rechtsextremen Aktivitäten" - auch die der FPÖ. Denn: "Ganz Europa schaut im Kulturhauptstadtjahr nach Linz." Und darauf wird auch auf der eigens eingerichteten Homepage per Videobotschaft hingewiesen. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 16.4.2009)