Wieder einmal versteht der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf die Aufregung nicht. Diesmal geht es um die Einladung eines Mannes ins Parlament, der dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands seit "vielen, vielen Jahren" bekannt ist, "rechts am Rand des Rechtsextremismus" sei und offenbar "kaum Berührungsängste zum deutschen Nationalsozialismus" habe.

Auch SPÖ-Klubobmann Josef Cap versteht die Aufregung um den Auftritt des extrem rechten Professors Walter Marinovic nicht. Marinovic war schon Gastredner bei der rechtsextremen AFP und hat einen Appell unterzeichnet, dass das "biologisch-genetische Erbe des deutschen Volkes" gefährdet sei durch eine "multikulturelle Gesellschaft" und "Hintergrundmächte" , zu denen "Juden und Jüdinnen" gehören.

Caps Begründung: Das Ganze finde in Eigenverantwortung des Veranstalters statt, und "damit haben wir glücklicherweise nichts zu tun" , meint Cap. Im Klartext: Im Parlament kann man alles machen, man muss es nur in Eigenverantwortung tun.
So einfach kann sich Cap nicht abputzen. Der Klubobmann hat den Abgeordneten der SPÖ freigestellt, ob sie Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten wählen. ÖVP-Obmann Josef Pröll, der zu dieser Causa bisher schweigt, hat sogar eine Wahlempfehlung abgegeben. So kam ein Wahlergebnis von 69,9 Prozent zustande.

Am vehementesten ist die rechte Flügelstürmerin der ÖVP, Maria Fekter, als Verteidigerin von Graf aufgetreten. Die Innenministerin hat die Wahl Grafs zu einem Testfall für die Demokratie gemacht: "Demokratie lebt von Spielregeln und deren Einhaltung. Zu diesen Spielregeln gehört es, dass im Hohen Haus die drei stärksten Fraktionen das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Präsidiums haben" , verteidigte sie die Wahl Grafs in eine der höchsten Staatsfunktionen. Denn nicht er oder die Burschenschaft Olympia, deren Mitglied der FPÖ-Politiker ist, seien das Problem, sondern deren Gäste: "Das Gedankengut dieser Gäste ist grauslich. Daher ist die Debatte darüber, dass ein solches Gedankengut in der Republik und im Hohen Haus nichts verloren hat, berechtigt" , schrieb Fekter in einer Aussendung am 28. Oktober.
Jetzt sind Gäste, die solches Gedankengut verbreiten, im Hohen Haus angelangt. Und Fekter verweist auf ihren Parteifreund, den Zweiten Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer. Der will sich erst heute erklären. Und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) verlangt einmal mehr eine Erklärung Grafs und bedauert, eigentlich keine Handhabe gegen Graf zu haben.
Graf hat Plakate für den umstrittenen Burschenschafter-Ball im Parlament aufgehängt. Der FPÖ-Politiker hat Mitarbeiter engagiert, die bei einem Versand "Nazidreck" (Zitat Martin Graf) bestellt haben. Graf darf auf seiner Homepage historisch nicht belegbare Horrorzahlen über sudetendeutsche Opfer verbreiten und seinen Widerstand mit niemand Geringerem als Hitler-Attentäter Claus Stauffenberg vergleichen, der "seinen Einsatz mit dem Leben bezahlt" habe.
Was muss noch geschehen? Ein Aufmarsch von rechten Recken im Parlament? Die Verteilung von Bestellzetteln für den Aufruhr-Versand oder das Singen von Nazi-Liedern? Graf lotet ganz offensichtlich die Grenzen aus.

ÖVP und SPÖ sind mit schuld daran, dass rechtes Gedankengut im Parlament Einzug gehalten hat und verbreitet wird. Es war vor der Wahl bekannt, welche Gesinnung der FPÖ-Politiker vertritt. Er selbst hat nie ein Hehl daraus gemacht, sich nicht von der Burschenschaft Olympia distanziert - gewählt wurde er dennoch von mehr als zwei Dritteln der Volksvertreter im Hohen Haus. Nicht nur das Parlament, das Ansehen des Landes ist beschädigt. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD-Printausgabe, 16. April 2009)