Die Blumen vom Gemeindebau: Dany Sigel mit Rudi Roubinek (li.) als schremsiger Schrammel und Reinhard Nowak als proletenhafter Major Kottan.

 

Foto: Rabenhof

Wien - Vor einer kleinen Ewigkeit, vor genau 35 Jahren, schrieb Helmut Zenker seinen ersten Kottan-Krimi: Der Mord in der Hartlgasse. Aus der nüchternen Erzählung entstanden in der Folge ein Hörspiel und 1976 ein Fernsehfilm von Peter Patzak, der für Furore sorgte: Hartlgasse 16a war die radikale, wirklichkeitsnahe Antwort auf die kammerspielartigen Märchen von Fritz Eckhardt als Kommissar Marek in der Reihe Tatort.

Jan und Tibor Zenker, die Söhne des 2003 verstorbenen Autors, adaptierten diesen allerersten Kottan ermittelt nun für den Rabenhof. Die Handlung verlegten sie in die Gegenwart und den Schauplatz - durchaus sympathisch - vom Zinshaus mit Bassena und Klo am Gang in die Rabengasse 3a, mithin den Gemeindebau rund um das Theater im 3. Bezirk von Wien.

Leider wollten sie aber zu viel. Denn Kottan ermittelt, nach und nach zur Serie geworden, vollzog in den frühen 1980er-Jahren eine Wandlung von der Milieustudie mit beiläufigem Slapstick (Kottans Probleme mit dem Sicherheitsgurt) hin zum Absurden. Was wohl auch damit zu tun hatte, dass die Darsteller des Majors wechselten. Auf Peter Vogel folgte Franz Buchrieser und ab 1980 der singende Kabarettist Lukas Resetarits.

Jan und Tibor Zenker versuchten den Spagat: Sie reicherten den zwingenden "Kleine-Leute-Krimi" mit grotesken Situationen nach Art der späten, comicsartigen Kottans an. So trägt der Postler (Roman Gregory) just am 1. Mai die Renten aus. Und Dany Sigel plaudert als betagte Figur Böheim über die Erträglichkeitsgrenze hinaus mit ihren Topfpflanzen. Zu sehen ist daher ein kammerspielartiges Märchen, das eher an Kaisermühlen Blues erinnert denn an den genialen Streich von Patzak/Zenker.

Reinhard Nowak, schmerbäuchig und proletenhaft, hat mit Peter Vogel so viel gemeinsam wie Sean Connery als James Bond mit Daniel Craig. Doch diese rüde Kottan-Variante hat Charme. Und auch sie ist ein daneben ermittelnder, von Ressentiments geprägter Bilderbuch-Verlierer.

Manche Abänderung hingegen ist nicht nachvollziehbar: Dem dubiosen Anlageberater, im Original heterosexuell, wird nachgesagt, schwul zu sein. Und Rudi Roubinek hat die äußerst schwierige Aufgabe, beide Kottan-Assistenten - den schusseligen Schrammel und den g'scheiten Schremser - auf sich vereinen zu müssen. Das gelingt ihm mit Bravour: Er gibt in der auf Rasanz ausgelegten, soliden Regie von Hausherr Thomas Gratzer ein verklemmtes Strebschwein und einen miesen Vernaderer. (Thomas Trenkler/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.4.2009)