Berlin - Der Filmregisseur Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon") hat 20 Jahre nach dem Mauerfall das Verschwinden der "Filmkultur des Ostens" beklagt. "Der Osten hat sein Erbe auch in Form von Filmen hinterlassen, guten wie schlechten", meinte Dresen in einem Beitrag in der neuen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit". "Filme bleiben. Sie erzählen etwas über die Wirklichkeit eines Landes, das es nicht mehr gibt. Aber die Filmkultur des Ostens hat sich nach dem Umbruch nicht nur verändert, sie ist verschwunden, ähnlich wie die meisten ihrer Protagonisten."
Im Westen hingegen sei die Filmlandschaft nach dem Mauerfall weitgehend unbeeinflusst geblieben. "Man hat einfach so weitergemacht wie bisher", meint Dresen. Und Filme wie das Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck hätten "mit der DDR so viel zu tun wie Hollywood mit Hoyerswerda". Der Film erzähle, durchaus wirkungsvoll, "das Märchen vom guten Menschen, der in jedem von uns steckt, auch im schlimmsten Stasi-Denunzianten". So etwas komme "natürlich an, nicht zuletzt, weil es so schön beruhigend ist. Der Wahrheitsfindung dient es nicht."
Ihn würde ein anderer Stasi-Mann, nämlich der "Alltag des Verrats", mehr interessieren, meint Dresen. "Einer mit Frau und Kindern und netten Nachbarn. Der am Wochenende mit der Familie im Wartburg in den Garten fährt und ein Grillfest mit Freunden veranstaltet. Und einer, der dann am Montag um 9 ins Büro zurückkehrt, um andere auszuhorchen und zu denunzieren. Ohne Auftrag eines Ministers. Ganz aus eigenem Antrieb. Ein Stasimann wie du und ich." Denn genau da werde es interessant, etwas über Menschen zu erfahren, "über Courage, über Feigheit, auch über die eigene".
"Geschichte wird von Siegern geschrieben", meint der zwei Jahre nach dem Mauerbau 1963 geborene Filmemacher, dem in der Nacht des Mauerfalls vom 9. November 1989 auf der Mauer am Brandenburger Tor die Tränen gekommen waren. "Ich sage das ohne Verbitterung, denn das war schon immer so. Und ich möchte weder die DDR zurückhaben noch das DEFA-Studio. Keinesfalls. Besser im Dschungel als im Zoo."
Aber das jüngste "Pauschalurteil" seines Kollegen Volker Schlöndorff über "die furchtbaren DEFA-Filme" sei "von einem Regisseur dieses Ranges" nicht zu erwarten gewesen, meint Dresen. Eine solche "flapsige Bemerkung" treffe vor allem diejenigen, "die mit der Kunst des Ostens eigene Lebens- und Welterfahrung verbinden. Ob sie nun Filmemacher oder Publikum waren - hier werden sie zu ahnungslosen Idioten gestempelt, die von Hochkultur keine Ahnung haben". (APA/dpa)