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Wo ist sie? Die Grenze zwischen Realität und Fiktion?
Leipzig - Für die Unterscheidung von fiktiven und realen Inhalten ist ein spezieller Mechanismus im menschlichen Gehirn zuständig. Das berichten ForscherInnen am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften im Wissenschaftsjournal PLoS ONE. Sie überprüften, wie der ständig ablaufende Spagat zwischen Realität und Fiktion vor sich geht. Dabei entdeckten sie, dass je nach Realitätsgehalt verschiedene Regionen der Großhirnrinde aktiviert werden. Die Unterscheidung hängt dabei davon ab, wie nahe man persönlich zu einem Thema steht, so die ForscherInnen.
Durcheinandergeratene Wahrnehmung?
Der Mensch besitzt die Fähigkeit, ohne Probleme in fiktive Welten einzutauchen, ohne dabei den Bezug zur Realität zu verlieren. "Nicht alles, was wir sehen, gehört zur Realität, denn besonders die Medien konfrontieren uns immer wieder mit fiktiven Inhalten. Das Gehirn kann jedoch überraschend gut intuitiv unterscheiden, wie real ein bestimmter Inhalt ist", so die Studienleiterin Anna Abraham. Erst diese Fähigkeit mache es möglich, in fiktive Welten in einem Roman oder im Film einzutauchen, ohne dass die Inhalte die persönliche Wahrnehmung durcheinanderbringen.
Die ForscherInnen ließen in ihren Studien Versuchspersonen verschiedene Sätze lesen. Diese handelten entweder von fiktiven Figuren wie etwa Märchenfiguren oder von realen Personen. Für letztere wurden entweder berühmte Persönlichkeiten wie bekannte Politiker oder Freunde und Familienmitglieder der Probanden herangezogen. Die Beobachtung durch die Funktionelle Magnetresonanztomographie zeigte, dass dabei unterschiedliche Gehirnregionen aktiv waren. Anders als fiktive Inhalte, wurden als real empfundene Geschehnisse in den Regionen verarbeitet, die für persönlich relevante Erfahrungen und Kenntnisse zuständig sind. "Je persönlich relevanter eine Person für einen Menschen ist, desto realer ist sie daher auch - unabhängig davon, ob sie nun tatsächlich real ist oder nicht", so die Studienleiterin.
Wo ist die Grenze?
Wo die Grenzlinie zwischen Realität und Fiktion liegt, ist demnach subjektiv bestimmt. Zum Problem kann dies werden, wenn die subjektive Definition zu sehr vom allgemeinen gesellschaftlichen Bild abweicht. "Das ist etwa beim religiösen Fanatismus der Fall, beim Stalking oder beim Starkult." Bei letzterem sei zu beobachten, dass prominente Personen als Teil der Realität für eingefleischte Fans eine besondere persönliche Relevanz besitzen. Auch ein übermässiger Konsum von Computerspielen oder auch, wenn man übermäßig viel Zeit in der virtuellen Welten verbringt, wirkt sich sie auf die Realitätswahrnehmung aus. "Wer sich täglich stundenlang in der Virtualität bewegt, für den bekommt sie eine wichtige persönliche Bedeutung", so Abraham.
Entwicklung in den ersten Lebensjahren
Die Fähigkeit zur Unterscheidung von Realität und Phantasie entwickelt sich schon in den ersten Lebensjahren. "Mit zwei Jahren verstehen Kinder schon Unterschiede und finden Spaß an Spielabläufen, bei denen etwa eine Banane ein Telefon ersetzt", so Abraham. Fünfjährige können verschiedene Phantasiewelten von Comicfiguren bereits klar trennen und unterscheiden auch zwischen real und fiktiv. "Schwierig wird es allerdings dort, wo fiktive Erzählungen mit dem eigenen Leben verknüpft sind, etwa bei der Ankündigung des Osterhasen oder bei Mythen um den Verlust des Zahnes. Ist diese Verbindung gegeben, werden Inhalte eher als real behandelt", erklärt die Psychologin. (pte)