Streng geheim: Bilderberg.

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UserIn Artischoke fragt: Warum wird in der westlichen Presse nie über die alljährlichen Bilderberg-Konferenzen berichtet?

LiebeR Artischoke,

ganz stimmt es ja nicht, dass die "westliche Presse" nicht über die Bilderberger berichtet. derStandard.at hat sich jedenfalls bei Kees van der Pijl, Professor für Internationale Beziehungen an der University of Sussex im englischen Brighton, erkundigt. Der gebürtige Niederländer beschäftigt sich seit den frühen Achtzigerjahren mit den Konferenzen der Bilderberger, die nach einem Hotel in Holland benannt sind, in dem das erste Treffen stattfand.

Van der Pijl: Es ist nicht im Interesse der Teilnehmer, die Überlegungen, die dort angestellt werden, an die Öffentlichkeit zu bringen. Bilderberg ist in den Fünfzigerjahren entstanden, um schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Amerikanern und den Europäern zu überbrücken. Es ging zum Beispiel um die US-amerikanische Kommunistenjagd unter McCarthy und den Willen der Europäer auf der anderen Seite, die Möglichkeiten unter Chruschtschow zu nutzen, um mit Osteuropa Handel zu betreiben. Um in aller Offenheit darüber reden zu können, hat man die Türen verschlossen gehalten. Zur gleichen Zeit war Bilderberg aber auch immer eine Schattenorganisation und eine Art strategischer Thinktank für die NATO. Und wenn man in diesem spezifischem Kontext offen reden will, kann es nicht öffentlich sein. So hat sich diese Tradition im Laufe der Jahre gefestigt.

derStandard.at: In einschlägigen Internet-Foren wird die Bilderberg-Konferenz gerne mit Begriffen wie „Weltverschwörung" in Verbindung gebracht. Warum?

Van der Pijl: Wenn man ein Ei backen will, muss man sich auch dagegen verschwören, etwa zusammen mit einer Pfanne (lacht). In diesem Sinne ist Bilderberg eine Verschwörung, weil wichtige Leute mit der Absicht zusammen kommen, etwas zu planen. Eine Verschwörungstheorie will immer sagen, dass die Verschwörer alle Aspekte einer Situation weitgehend unter Kontrolle haben. Die Bilderberger haben hingegen nichts unter Kontrolle, sie haben nur Zugang zu anderen Netzwerken und Regierungen. Was dort gesagt wird, hat eine überdurchschnittliche Reichweite. Es gibt so viele Verschwörungen auf der Welt, dass es mir nicht interessant scheint, über eine einzelne nachzudenken. Aber der Begriff "Verschwörungstheorie" wird auch dazu verwendet, Dinge zu bagatellisieren. Klar ist: wenn sich Leute von politischem und gesellschaftlichem Gewicht treffen, geht es um wichtige Dinge, auch wenn auf den Bilderberg-Konferenzen genauso viel Geschwätz ausgetauscht wird wie überall sonst.

derStandard.at: Lassen sich konkrete Ergebnisse der Konferenzen festmachen?

Van der Pijl: Es gibt immer wieder Dinge, von denen man nachher behaupten kann, dass Bilderberg ein Teil zu einer Konsensbildung beigetragen hat. Es werden aber niemals formelle Schlüsse aus einer Konferenz gezogen. Mir wurden Dokumente von der Bilderberg-Konferenz im Mai 1989 zugespielt, wo über die deutsche Bereitschaft geredet wurde, mit Gorbatschow zusammenzuarbeiten. Das war ein halbes Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer. In der Bilderberg-Konferenz wird Stimmung gemacht, die mit der Stimmung in Geheimdiensten zusammenhängt. Ob bestimmte Ereignisse tatsächlich die Konsequenz einer Bilderberg-Konferenz sind, kann ich aber auch nicht seriös behaupten.

derStandard.at: Wer wird überhaupt eingeladen - und wer lädt ein?

Van der Pijl: Es gibt ein Sekretariat in Den Haag, es befindet sich im Privatbüro von Ernst van der Beugel, einem Bankier und engen Freund von (dem 2004 verstorbenen niederländischen Prinzen, Anm.) Bernhard, der wiederum bis zu seinem Korruptionsskandal mit Lockheed Symbolfigur der Bilderberg-Konferenz war. Die Einladungspolitik ist eher informell, inwieweit das von Den Haag aus gesteuert wird, weiß ich nicht. Es wird versucht, mehrere Glieder eine Entscheidungskette einzubinden. Das heißt, es sind immer Geschäftsleute, Militärkommandanten, Politiker und Verleger dabei.

derStandard.at: Antisemitische Untertöne sind den Verschwörungstheoretikern nicht fremd. Was haben die Bilderberger mit Juden zu tun?

Van der Pijl: Gar nichts. Gerade weil ich mich so lange mit den Bilderbergern beschäftige, bin ich mir des Umstands bewusst, dass ich mich in der Gesellschaft von Leuten befinde, die die Macht über ihr Bewusstsein verloren haben. Man kommt da sehr schnell in die Gesellschaft von echten Verschwörungstheoretikern, das ist nicht so angenehm. In den USA ist das eine wirklich große Industrie. Diese Kreise verbindet eine Mischung aus antisemitischen, anti-englischen und anti-Establishment-Gefühlen. Deshalb will ich oft gar nicht über Bilderberg oder andere Netzwerke sprechen, weil man sehr schnell als einer dieser Idioten angesehen wird, die hinter allem eine große, mächtige Hand sehen. Dennoch muss man diese Gruppen untersuchen, weil sie ein flexibles und in sich geschlossenes Zwischenglied der Meinungsbildung amerikanischer und europäischer Eliten darstellen. (red/derStandard.at, 17.4.2009)