Nanterre - Die französischen Atomkraftgegner haben wegen des Vorwurfs der Spionage eine Klage gegen den Energieriesen EDF eingereicht. Der Dachverband Sortir du Nucleaire habe erfahren, dass Electricité de France (EDF) "und weitere Personen" möglicherweise gegen das Gesetz verstoßen und den Verband ausspioniert hätten, erklärte Rechtsanwalt Benoist Busson in einem Schreiben an den zuständigen Untersuchungsrichter, das der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstagabend in Kopie vorlag. Eine "Zelle" des Stromkonzerns solle mehrere Organisationen bespitzelt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen des Vorwurfs der Spionage gegen mehrere EDF-Mitarbeiter.

Die Wochenzeitung "Le Canard Enchaine" hatte vor zehn Tagen berichtet, der Energiekonzern habe den Dachverband der Atomkraftgegner und ihren Sprecher, Stephane Lhomme, monatelang ausspioniert. Die französische Spionageabwehr hatte Lhomme im März vergangenen Jahres und im Mai 2006 vorübergehend in Gewahrsam genommen, weil die Organisation sich ein geheimes Dokument des französischen Verteidigungsministeriums beschafft hatte. Darin stand, dass auch die neue Generation der französischen Atomkraftwerke dem Absturz eines Linienflugzeuges nicht standhalten würde. Dem Verband sei das brisante Papier von "einer internen 'Quelle' bei EDF" zugespielt worden, erklärte Sortir du Nucleaire.

Ermittlungen einleiten

Die Staatsanwaltschaft müsse Ermittlungen gegen EDF-Chef Pierre Gadonneix einleiten, forderte die Organisation. "Niemand kann glauben, dass er nicht über die von EDF organisierte Bespitzelung der Atomkraftgegner auf dem Laufenden gewesen ist" oder sogar an der Entscheidung beteiligt gewesen sei. Der Untersuchungsrichter kann nun entscheiden, ob er die Klage gegen EDF zulässt; er befasst sich derzeit auch mit dem Verdacht, dass der Konzern die Umweltschutzorganisation Greenpeace bespitzelt habe.

Frankreich baut derzeit in Flamanville am Ärmelkanal einen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR); zwei weitere EPR sollen folgen, um den größtenteils aus den 80er Jahren stammenden französischen Atompark mit seinen 58 Reaktoren zu erneuern. (APA/AFP)