Wien - Zuerst hatte es geheißen, dem Verfassungsschutz sei keine "Todesliste" mit gefährdeten Tschetschenen bekannt. Dann wurde der tschetschenische Politflüchtling Umar I. in Wien auf offener Straße erschossen. Jetzt verteilt die Polizei in Asylwerber-Einrichtungen Fragebögen, auf denen Betroffene ankreuzen sollen, ob sie wissen, dass ihr Name auf der Liste steht - und ob sie sich bedroht fühlen (siehe Faksimile). Wenn ja, wird empfohlen, umgehend den Polizeinotruf 133 zu wählen.
Die Wiener Flüchtlingshelferin Ute Bock bezweifelt, ob das eine sinnvolle Aktion ist. In ihrem Blog auf derStandard.at schreibt sie: "Ich weiß nur, dass die Betroffenen sich jetzt gar nirgends mehr hintrauen. Und die Polizei kann dann, wenn was passiert, sagen, die hätten das ja eh gewusst, und hätten's halt besser aufgepasst".
Auch Peter Pilz von den Grünen ist einigermaßen brüskiert: "Die Idee mit den Todeslistenfragebögen ist eine typisch hirnlose Beamtengeschichte", meint er im Gespräch mit dem Standard. Auch wenn die Aktion vielleicht gut gemeint sei, "wird sie nichts bringen, außer die Leute in Panik zu versetzen", so Pilz. Er stellte am Freitag eine parlamentarische Anfrage an Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Unter anderem will Pilz wissen, ob auf Basis der Fragebögen bedrohten Personen Polizeischutz angeboten worden sei.
Wie berichtet, hatte Fekter im Fall Umar I. zuerst behauptet, dass das spätere Mordopfer Polizeischutz abgelehnt habe. Später musste sie diese Aussage zurückziehen und eingestehen, dass Umar I. um Hilfe angesucht hatte.
Der Umgang mit Menschen auf der Flucht steht für Fekter auch rechtlich weiter zur Diskussion: Im Menschenrechtsausschuss am Donnerstag kündigte sie eine weitere Novelle des Asyl- und Fremdenrechts an - noch vor dem Sommer und mit weiteren Verschärfungen. Am Freitag dementierte Fekters Büro Gesetzesänderungspläne. Es würden nur Einzelmaßnahmen erwogen.
So soll es in Zukunft Sperrfristen für Asyl-Folgeanträge geben: Nach einer Asylablehnung im Berufungsverfahren soll es Flüchtlingen für eine bestimmte Zeit untersagt werden, einen weiteren Antrag zu stellen - so wie es etwa Mutter und Kinder Zogaj nach ihrer Rückkehr in Österreich gemacht haben. Die Betroffenen wären so leichter abschiebbar.
Auch die Liste mit Staaten außerhalb der EU, die für Abschiebungen als "sicher" gelten, will man erweitern. Bei Paragraf 115 Fremdenpolizeigesetz, laut dem Menschen, die Illegalen helfen, bestraft werden, sollen Angehörige Entschlagungsrecht bekommen.
Identitätsbetrug bleibt Thema
Nicht aufgegeben hat die Innenministerin zudem den Plan, falsche Identitätsangaben von Asylwerbern per Strafrecht zu ahnden. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hatte vergangene Woche keine Notwendigkeit dafür gesehen. Am Freitag hieß es in ihrem Büro, das sei zwar weiter so, aber man sei auch "diskussionsbereit". (Irene Brickner, Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 18./19. April 2009)