Gelten berufstätige Mütter noch immer als Rabenmütter? Dies wird zumindest immer wieder im privaten oder öffentlichen Raum signalisiert, so der deutsche "Verband berufstätiger Mütter". Der Verband möchte daher für arbeitende Mütter Rückendeckung, Vernetzung und gegenseitige Beratungen anbieten. Er versteht sich mit seinen 22 Regionalstellen seit 1990 als Lobby für Frauen, die Kinder und Beruf vereinbaren wollen. Eine ähnliche Interessensvertretung gibt es in Österreich nicht.
Eike Ostendorf-Servissoglou vom VBM sprach mit dieStandard.at unter anderem darüber, wie sich Retraditionalisierungen mit der Geburt eines Kindes bei Vätern und Müttern einschleichen und wann Berufstätigkeit von Müttern an die Grenzen der Akzeptanz des Partners stößt.
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dieStandard.at: Braucht es noch eine Interessensvertretung für berufstätige Mütter?
Ostendorf-Servissoglou: Ja, die Mütter brauchen Rückendeckung. Es gibt noch immer einen starken Rechtfertigungsdruck, vor allem in der eigenen Familie, vor den Eltern und vor den Schwiegereltern. Die meinen etwa "jetzt habt ihr doch die lieben Kinder, und jetzt den ganzen Tag arbeiten, das ist doch alles ein bisschen viel". Ich merke das ja auch in meinem persönlichen Umfeld.
Auch ist immer wieder zu lesen, dass es schaden würde, das Kind vor dem dritten Lebensjahr von jemand anders betreuen zu lassen. Das versetzt einer ja immer wieder von neuem einen Stich und obwohl sich das eigene Kind sehr gut entwickelt, denkt man sich: Mach' ich vielleicht doch etwas falsch?
Aus dem Gefühl raus zu kommen, dass man vielleicht etwas Falsches tut oder einer falschen Lehre aufsitzt, ist ganz schwierig.
Andererseits gibt es viele Mütter, die ganz stark berufsorientiert sind, wie das Männern ja ganz selbstverständlich zugestanden wird. Sie könnten ihre berufliche Rolle auch nicht aufgeben, ohne in emotionale Schwierigkeiten zu geraten. Damit tut man der eigenen Familie ja überhaupt nichts Gutes. Das wird gesellschaftlich aber nicht in den Blick genommen.
dieStandard.at: Wie äußern sich noch vorhandene Ressentiments gegenüber berufstätigen Müttern?
Ostendorf-Servissoglou: Das relativ neue deutsche Bildungs-Magazin 'Didacta' hat sich beispielsweise erst kürzlich aus unserer Sicht zum Thema berufstätige Mütter recht merkwürdig positioniert. Im Magazin heißt es zur 'Bildungsmisere', dass sowohl 'die zunehmende Berufstätigkeit von Müttern' oder auch das 'elterliche Karrieredenken' zu Auflösungserscheinungen der tradierten Familienordnung führen würde. Es wurde also suggeriert, dass berufstätige Mütter Mitschuld daran haben, wenn Kinder in der Schule Schwierigkeiten haben.
Es scheint hier schon einen Reflex zu geben, allein Mütter verantwortlich zu machen. In dem konkreten Beispiel etwa hat man das Gefühl, dass dieses Bild der alleinigen Verantwortung einfach in einigen Nebensätzen konstruiert wird. Wenn man aber den Finger darauf legt, war es dann plötzlich nicht mehr so gemeint. Die Redaktion von Didacta hat in einer E-Mail an uns ihre grundsätzliche Haltung zu dem Thema dann doch sehr anders dargestellt, der Artikel blieb dann aber doch so stehen. Der Punkt ist, dass sich diese Haltung eingeübt hat und subkutan immer mitschwingt: "Wirklich gut ist es nicht".
dieStandard.at: Abgesehen vom Bildungsbereich, was sind ihrer Erfahrung nach noch andere Bereiche, wo dieses Urteil "Gut ist es nicht" öfters durchkommt?
Ostendorf-Servissoglou: In der Presse kommt das nur mehr selten vor, die meisten wollen damit doch nicht an die Öffentlichkeit treten, selbst wenn der einzelne Redakteur vielleicht der Meinung wäre, dass Mütter eigentlich besser zuhause bleiben sollten.
Wo diese Haltung aber immer wieder vorkommt, ist in Diskussionsveranstaltungen im Fernsehen. Erst kürzlich sah ich die Diskussionssendung "Sabine Christiansen", in der es um gewalttätige Jugendlich ging. Da wurde auch nicht nach den Vätern gefragt, obwohl es sich großteils um Jungs handelte, für die männliche Rollenvorbilder ganz wichtig wären.
dieStandard.at: Bubenförderung oder ein verstärkter Einsatz von Männern bei der Erziehung taucht im Kontext gewalttätiger Jugendlicher immer wieder auf. Diese Forderung passt mit einer ablehnenden Haltung gegenüber arbeitenden Müttern nicht zusammen. Wie sehen sie das?
Ostendorf-Servissoglou: Ich denke auch, dass sich das widerspricht. Um von Männern mehr Einsatz in der Erziehung zu bekommen, müssen wir von traditionellen Rollenbildern weg. Wir brauchen die Väter auch in den Familien und nicht, dass sie ihre Arbeitszeit noch raufsetzen, sobald sie eine Familie gründen. Man weiß von Statistiken, dass Männer mehr arbeiten, sobald sie ein Kind haben. Sie ziehen sich also sogar zurück, weil sie sich plötzlich ganz stark in dieser Ernährerrolle sehen. Aber auch Frauen reagieren oft so, dass sie die volle Verantwortung für Kind und Haushalt übernehmen, sie wenden sich also einem traditionellen Rollenbild zu. Sie lassen dann den Vater auch oft nur mehr als Hilfskraft ran, was Männer auch nicht wirklich ermutigt, tätig zu werden. Wer möchte schon nach Anweisung mal eine Windel wechseln, wenn, dann möchte man schon gleichberechtigt tätig sein. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Retraditionalisierungsfalle. Es müssen also beide Seiten umlernen.
dieStandard.at: Laut einer Aussendung des VBM ist die Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen, sogar rückläufig.
Ostendorf-Servissoglou: Die Studie "Männer in Bewegung", die einen Vergleich zu der Situation von vor zehn Jahren macht, stellte fest, dass sich die Haltung der Männer in Sachen Berufstätigkeit von Müttern verändert hat. Die Meinung "meine Frau soll nicht arbeiten" gibt es immer weniger. An der Arbeitsverteilung innerhalb von Partnerschaften hat sich aber so gut wie nichts getan. Männer beschäftigen sich zwar etwas mehr mit den Hausaufgaben der Kinder als früher und im Sport-Bereich überflügeln sie sogar die Mütter. In allen anderen Bereichen sind aber die Frauen dafür zuständig, die Kinder zu versorgen.
dieStandard.at: Hört sich bei dem, was gemeinhin für das Beste für Kinder gehalten wird, das Verständnis für emanzipatorische Bestrebungen auf?
Ostendorf-Servissoglou: Derzeit verhält sich die Meinung etwa so: Natürlich dürfen Frauen berufstätig sein, aber erstens darf ich davon nichts bemerken und meine Bequemlichkeit darf dadurch nicht geschmälert werden. Andererseits ist die Berufstätigkeit von Frauen für viele Familien auch eine finanzielle Entlastung, für viele Familien ist das zweite Einkommen einfach notwenig. Die Organisation mit Kindererziehung und Beruf muss aber dann von Frauen gewährleistet werden.
dieStandard.at: Was könnte daran etwas ändern?
Ostendorf-Servissoglou: Es müsste beispielsweise massiv darüber aufgeklärt werden, was Kinderbetreuung in Institutionen leistet, was in einer Familie nicht geleistet werden kann. Von Fachkräften bis zu Möglichkeiten für Kinder, die es für sie zuhause einfach nicht gibt. Vielleicht fruchtet das. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 19.4.2009)