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An der Konferenz nimmt der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad teil, der noch am Sonntag Israel als einen "Fahnenträger des Rassismus" bezeichnete.

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Zahlreiche Länder wollen die Anti-Rassismus-Konferenz boykottieren. Am Samstag gab es in Genf erste Kundgebungen vor der Tagung.

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Berlin/Washington/Teheran - UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat am Montag in Genf die Konferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus eröffnet. Er kritisierte, dass viele Länder ihre Teilnahme an der "Durban Überprüfungskonferenz" abgesagt hätten, darunter die USA, Deutschland und Israel. "Ich bedauere zutiefst, dass einige sich entschlossen haben, beiseitezutreten", sagte Ban in seiner Eröffnungsansprache: "Wir träumen davon, in eine neue Richtung zu gehen, jedoch bleiben zu viele von uns in der Vergangenheit verstrickt."

Die Sorge vor einer einseitigen Verurteilung Israels und ein Auftritt des umstrittenen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad hatten mehrere Staaten dazu bewegt, ihre Teilnahme für die bis Freitag geplante Konferenz abzusagen. Das Treffen setzt die Antirassismus-Konferenz von Durban (Südafrika) im Jahr 2001 fort. Damals hatten sich rund 170 Länder auf ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Diskriminierung verständigt. In dieser Woche soll nun eine Überprüfung des bisher Erreichten stattfinden.

Keine einheitliche EU-Linie

Ebenso wie die USA, Israel, Kanada, Australien und Neuseeland haben die EU-Länder Deutschland, Italien, Niederlande und Polen ihre Teilnahme abgesagt. Eine einheitliche EU-Line in der Teilnahme-Frage gibt es aber nicht. Außer Frankreich wollen unter anderem Großbritannien und auch der Vatikan teilnehmen. Die britische Regierung halte an ihrem Wunsch fest, bei der Konferenz "eine kollektive Willenserklärung zum Kampf gegen den Rassismus" zu erreichen, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag in London.

Die "roten Linien" Großbritanniens seien in der Vorbereitung der Konferenz eingehalten worden. Frankreich warnte, alle anwesenden europäischen Botschafter würden den Saal verlassen, wenn Ahmadinejad seine Ausfälle wiederhole. Schon die Anti-Rassismus-Konferenz von Durban war mit Antisemitismus-Vorwürfen zu Ende gegangen. Ahmadinejad hat den Holocaust wiederholt als Mythos bezeichnet und die Vernichtung Israels gefordert.

"Couragierter Schritt"

Sonntagabend hatte Deutschland seine Teilnahme abgesagt. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) teilte zur Begründung am Sonntagbend mit, es sei zu befürchten, dass das Treffen ebenso wie die Vorgängerkonferenz im Jahre 2001 "als Plattform für andere Interessen missbraucht wird". Die Entscheidung sei nach einer Telefonkonferenz mit mehreren EU-Amtskollegen gefallen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat den deutschen Boykott der Anti-Rassismus-Konferenz der Vereinten Nationen in Genf begrüßt. Der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, sprach am Montag von einem "couragierten Schritt". Zugleich kritisierte er, dass sich die Europäische Union nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnte. "Dass Europa sich hier so uneinig zeigt, ist eine Schande", sagte Graumann dem Internet-Portal handelsblatt.com. "Eine gemeinsame europäische Außenpolitik ist offenbar leider noch immer eine reine Illusion."

Polen sagt ab

Auch Polen hat in letzter Minute abgesagt. Es gebe Anlass zu der Befürchtung, dass die Konferenz "ausgenutzt" werde, teilte das polnische Außenministerium in der Nacht auf Montag mit. Bereits die erste Anti-Rassismus-Konferenz 2001 im südafrikanischen Durban sei zum Forum "unzulässiger Erklärungen" gemacht worden, die dem Geist des Respekts vor Anderen und der religiösen Toleranz zuwiderliefen.

Frankreich nimmt an der umstrittenen Anti-Rassismus-Konferenz teil. Der französische Vertreter werde die Veranstaltung aber sofort verlassen, falls sie zu einer Plattform für rassistische Äußerungen gegenüber Israel werden sollte. Frankreich traf seine Entscheidung praktisch in letzter Minute, wenige Stunden vor Eröffnung der Konferenz am heutigen Montag. Außenminister Bernard Kouchner sagte im Radiosender France-Info, der Beschluss sei nach nächtlichen Erörterungen gefallen. Der französische UNO-Botschafter in Genf werde das Land bei der Konferenz vertreten.

EU uneinig

Die EU-Staaten sind hinsichtlich einer Teilnahme uneinig. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft erklärte im Vorfeld der Konferenz, es sei Sache der einzelnen EU-Partner, darüber zu entscheiden. Die Teilnahme Deutschlands war bis zuletzt offen gewesen, erst am Abend kam die Absage aus Berlin. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier beriet noch mit EU-Amtskollegen.

Österreich wird in Genf laut Angaben aus dem Außenministerium am Montag gegenüber der APA auf Beamtenebene vertreten sein. Man wolle die politische Bühne der Konferenz nicht verlassen und die Lage vor Ort beobachten, hieß es. Sollten dabei Aussagen von bestimmten Politikern fallen, die nicht akzeptabel seien, könne Österreich die Konferenzteilnahme nach eigenem Erwägen abbrechen. Auch das geplante Abschlussdokument müsse für die EU und Österreich akzeptabel sein. Laut den Angaben aus dem Außenamt nehmen 23 der 27 EU-Länder an der Konferenz teil.

"Heuchlerische" Rassismusvorwürfe

Israel und Kanada hatten schon vor längerem beschlossen, die Konferenz zu boykottieren. Die USA hatten Anfang vergangener Woche angekündigt, ihren bereits in Aussicht Boykott noch einmal zu überdenken. Am Samstag sagte Washington dann endgültig ab. Grund seien die Formulierungen zum Thema Israel im geplanten Abschlussdokument, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Robert Wood. US-Präsident Barack Obama sagte beim Abschluss des Gipfeltreffens der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am Sonntag in Port of Spain, die Organisatoren der Veranstaltung hätten darauf bestanden, "heuchlerische" Rassismus-Vorwürfe gegen Israel zu präsentieren.

"Fahnenträger des Rassismus"

Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat unterdessen noch Öl ins Feuer gegossen: Dem iranischen Fernsehen zufolge sagte er am Sonntag, "die Ideologie und das zionistische Regime sind die Fahnenträger des Rassismus". Ahmadinejad soll am Montag in Genf zum Auftakt der UN0-Konferenz eine Rede halten. Dabei wird eine neue israel-feindliche Polemik des iranischen Staatschefs befürchtet. Ahmadinejad hatte den Holocaust in der Vergangenheit wiederholt als Mythos bezeichnet und dazu aufgerufen, Israel zu vernichten.

Papst Benedikt XVI. lobte die Konferenz gleichwohl als wichtige Initiative im Kampf gegen Intoleranz. Trotz der Lehren aus der Vergangenheit gebe es auch heute noch "solche bedauerlichen Phänomene", erklärte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag in Castel Gandolfo. Er hoffe, das die Delegierten in Genf in einem "Geist des Dialogs und der gegenseitigen Akzeptanz" zusammenarbeiteten, um Rassismus, Diskriminierung in Intoleranz zu beenden. Die sei "ein grundlegender Schritt zur Bekräftigung des universellen Wertes der Würde des Menschen und seiner Rechte".

Kontroversen

Die UN-Konferenz wird am Montag eröffnet und wird bis zum 25. April dauern. Bei der Konferenz handelt es sich um eine Nachfolgeveranstaltung der Durban-Konferenz von 2001. Auch diese wurde von heftigen Kontroversen um den Nahost-Konflikt begleitet. Die USA und Israel verließen das Treffen damals vorzeitig, weil der Entwurf der Abschlusserklärung eine Passage enthielt, in der der Zionismus mit Rassismus auf eine Stufe gestellt wurde.

Wegen der langen Ungewissheit über das Abschlussdokument der jetzigen Konferenz hatten bis Freitag nur wenige hochrangige Gäste zugesagt. Eröffnet wird die Konferenz am Montag von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Ahmadinejad will am Nachmittag eine Pressekonferenz geben. (APA/AP/AFP/dpa)