Barcelona - Mit hundert Millionen Euro will die Regierung in Madrid der notleidenden Volkswagen-Tochter Seat unter die Arme greifen. Grund für die Finanzspritze ist die Hoffnung, dass VW in Spanien den neuen Audi Q3 fertigen lässt. Die Gerüchte über eine teilweise Stilllegung der Produktion der Seat-Werke in Taragona nahe Barcelona werden immer lauter.

Insgesamt will die Regierung die Auto- und Zulieferbranche mit 800 Mio. Euro unterstützen. Spanien ist nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Autoproduzent in Europa, die Autobranche ist eine der großen Notleidenden der Wirtschaftskrise. Im ersten Quartal waren die Pkw-Neuzulassungen um knapp 50 Prozent zurückgegangen. Die Lage wird von Branchen- und Verbandssprechern als dramatisch bezeichnet, zumal kurzfristig alle Anzeichen auf eine weitere Verschlechterung hinweisen und die Auswirkungen des Nachfrageeinbruchs auch auf das dichte Netz an Lieferanten und Händlern durchschlagen. Strukturelle Veränderungen im Sektor zeichnen sich ab.

Noch vor zwei Jahren wurde Spanien als das neue Wirtschaftswunder in der Union hochgejubelt. Heute steht das Land schlechter da als die meisten anderen EU-Staaten. Der Grund für die rasante Trendwende liegt vor allem in der spekulativ angeheizten und inzwischen geplatzten Immobilienblase. Rund eine Million neugebauter Wohnungen steht derzeit leer, mehr als 1,5 Millionen Häuser stehen zum Verkauf. Die Immobilienpreise sind laut dem Gründer und Chef der Immobilienfirma Gual aus Barcelona, Jordi Gual, um bis zu 40Prozent gesunken. Einen überdurchschnittlichen Preissturz erlitten Ferienimmobilien. Die Talfahrt sei noch nicht zu Ende, ehe die Preise wieder auf das Niveau von 2007 zurückkommen, würden "Jahre vergehen".

Im Jahr 2009 erwartet Spanien eine Arbeitslosenrate von 17Prozent, eine Neuverschuldung des Staatshaushaltes von sechs Prozent und einen Wirtschaftsabschwung von mindestens drei Prozent. Die Bauwirtschaft, einstiger Motor des rasanten Wirtschaftswachstums, steht am Rand der Pleite. Eine Rückkehr zu den Verhältnissen der vergangenen Jahre sei mittelfristig nicht absehbar, meinte auch der Wirtschaftsberater Carlos Wienberg. (Thesy Kness-Bastaroli aus Barcelona, DER STANDARD, Printausgabe, 20.4.2009)