
Neben einem Kunstflugflugzeug gehört Oracle nun auch der Server- und Unix-Spezialist Sun
Der US-Unternehmenssoftware-Konzern Oracle Corp. will den Netzwerk- und Serverspezialisten Sun Microsystems übernehmen. Oracle, der schärfste Konkurrent des deutschen Branchenprimus SAP, will 7,4 Mrd. Dollar (5,7 Mrd. Euro) in bar bezahlen, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Die Sun-Führung hat das Angebot bereits einstimmig angenommen. Für Oracle-Chef Larry Ellison verändert die "Übernahme von Sun die IT-Branche". Oracle werde künftig das einzige Unternehmen sein, das seinen Firmenkunden ein komplettes System von der Hard- bis zur Software liefern könne, frohlockte Ellison. Doch auch bei Servern, wie sie in Firmen oder fürs Internet eingesetzt werden, katapultiert sich Oracle durch die Übernahme aus dem Stand unter die Top vier hinter IBM, Hewlett-Packard und Dell.
Tempo
Sun und Oracle besiegelten ihre Fusion offenbar im Rekordtempo: Erst am Donnerstag nahmen sie ihre Verhandlungen auf, wie eine mit der Situation vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Die beiden Firmen kooperieren jedoch bereits seit mehr als 20 Jahren miteinander. Wichtige Oracle-Programme basieren auf Java, zudem ist das Unix-Betriebssystem Solaris eine wichtige Plattform für das Datenbank-Geschäft von Oracle. Bereits im zweiten Jahr nach der Fusion soll Sun mehr als zwei Milliarden Dollar zum Oracle-Betriebsgewinn beitragen.
Java und andere Open-Source Software
Sun, bekannt als Entwickler "hochgezüchteter Arbeitsplatzcomputer" und Server, hat in den vergangenen vier Quartalen zwar 13,3 Mrd. Dollar umgesetzt, zugleich aber einen Verlust von 1,9 Mrd. Dollar ausweisen müssen. Sun ist auch Erfinder der auf fast allen Computersystemen, aber auch auf Mobiltelefonen verbreiteten Programmiersprache Java. Mit der Übernahme wechseln auch einige wichtige Technologien der Open-Source-Welt ihren Besitzer. Allen voran wohl die Datenbank MySQL, aber auch Suns mittlerweile im Open Solaris-Projekt entwickelte eigene Unix-Variante sowie die freie Office-Suite OpenOffice.org und die Virtualisierungssoftware Virtualbox.
In einer ersten Stellungnahme betonte Oracle, dass das Unternehmen weiterhin Linux unterstützen werde.
Oracle bezeichnet sich selbst als die größte Geschäftssoftwarefirma der Welt
Mit dem Namen Oracle wird vor allem Datenbank-Software für Geschäftsanwendungen verbunden. Der Konzern nannte für 2008 einen Umsatz von 22,4 Mrd. Dollar und verfügt über 85.000 Beschäftigte. Oracle bezeichnet sich selbst als die größte Geschäftssoftwarefirma der Welt. Mit SAP verbindet Oracle eine massive Rivalität, die sich auch vor den Gerichten niederschlägt, zuletzt in einer Klage wegen angeblicher Verletzung geistigen Eigentums von Oracle durch SAP. SAP dagegen sieht Oracle nach wie vor hinter sich und verweist auf eigene wachsende Marktanteile, obwohl Oracle in den vergangenen Jahren zahlreiche kleinere Wettbewerber aufgekauft habe. Branchenexperten zufolge will sich Oracle mit der Übernahme vor allem im Konkurrenzkampf mit IBM stärken.
Verhandlungen mit IBM gescheitert
Oracle griff zu, nachdem Verhandlungen zwischen Sun und dem IT-Giganten IBM gescheitert waren. Dabei könnten kartellrechtliche Bedenken eine Rolle gespielt haben. Oracle will 9,50 Dollar pro Sun-Aktie zahlen, 42 Prozent mehr als der Schlusskurs von Freitag. Das Geschäft soll im Sommer abgeschlossen werden. IBM hatte 9,40 pro Aktie angeboten.
Analysten hatten schon seit einiger Zeit die Meinung vertreten, Sun werde allein nicht bestehen können, nachdem das Unternehmen in den fünf Jahren seit dem Platzen der Internet-Blase im Jahr 2001 mehr 5 Mrd. Dollar verloren hat.
Silicon-Valley-Legenden
Die erste Sun-Workstation baute 1982 in Kalifornien der Deutsche Andreas von Bechtolsheim, damals Student an der Stanford-Universität in Palo Alto. Zu ihm gesellten sich drei Kommilitonen, die Amerikaner Bill Joy, Vinod Koshla und Scott McNealy. Sun war ein Pionier bei der Vernetzung von Computern zu leistungsfähigeren Einheiten. Im Boom der 90er Jahre war Sun ein Star der High-Tech-Szene und so erfolgreich, dass man sogar an der Kauf des damals dahinsiechenden Computerpioniers Apple denken konnte.
Schwere Zeiten
Doch auf das Platzen der Blase reagierte Sun zu schwerfällig: Die eigenen, auf selbst entwickelten Prozessoren beruhenden Rechner sowie das zu keinem anderen System kompatible Betriebssystem Solaris erwiesen sich nun als Nachteil gegenüber einer Konkurrenz, die auf preisgünstigere Standardtechnik wie Chips von Intel und AMD sowie Betriebssystemsoftware von Microsoft setzte. Sun entließ Tausende seiner zuletzt rund 33.000 Beschäftigten. Im letzten Quartal 2008 wies das Unternehmen einen Verlust von 209 Mio. Dollar aus. Oracle rechnet allerdings nach der Übernahme mit einem positiven Gewinnbetrag von über 1,5 Mrd. Dollar schon im ersten Jahr. (APA/Reuters/red)