Zitrone für die 30-Zentimeter-Taille der Marienkron-Werbung

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Diäten aller Arten, Entschlackungskuren, Heilfasten, Colon-Hydro-Therapie, Körperwickel, Lymphmassagen, Auslaugbäder, Abnehmdrinks, Appetitzügler und andere Wunderpillen. Lauter alte Hüte, die Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen, aus der Werbung sind uns diese Mittel nur allzu gut bekannt. Beinahe täglich werden neue Strategien gegen das unerwünschte und gesellschaftlich stigmatisierte Fett angeprießen, mit Hilfe derer frau/man innerhalb kürzester Zeit so und so viel Körpergewicht verlieren soll. Was dabei so gut wie immer auf der Strecke bleibt sind die Ursachen: Falsches, zumeist psychisch bedingtes Essverhalten (Kompensation), Bewegungsmangel und die daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme. Die einzige Wirkung diverser Methoden: Die Geldbörsen der Abnehm-Wunder-Gläubigen werden schlanker, jene der AnbieterInnen nehmen beträchtlich an Umfang zu.

Ein Exempel, das uns besonders sauer aufgestoßen ist, ließ uns eine Userin zukommen. In der STANDARD-Beilage RONDO warb das Kneipp Kurhaus Marienkron mit dem Slogan "Locker und Leicht zu einem neuen Ich" für ein 5-Tage-Pauschalangebot mit allem möglichem Abnehm-Schnick-Schnack in seiner Niederlassung. Bebildert mit einem Maßband um einen Frauenbauch, dessen Taille dreißig Zentimeter beträgt. Dreißig Zentimeter! So dünn war nicht einmal die Taille von Kaiserin Sisi, die wohl die bekannteste Magersüchtige Österreichs war.

Um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen, schrieb unsere Leserin an das Kurhaus Marienkron eine Email: "Ist das Ihr Ernst? Ich bitte Sie: Nehmen Sie ein Maßband zur Hand und überprüfen Sie (am eigenen Leib), was Sie da kommunizieren". Die Antwort kam prompt, zynisch und ausweichend: " Es darf wohl als künstlerische Freiheit angesehen werden, wie das Inserat gestaltet ist. Dass kein Mensch den Bauchumfang einer Puppe haben kann, ist wohl einleuchtend. Wir wollen mit diesem Inserat auch keinen Wettbewerb darüber starten, wer welchen Umfang in diesen fünf Tagen reduziert", schrieb Anton Kriser, Direktor des Kurhauses Marienkron.

Aha, "künstlerische Freiheit" nennt er das. Dass in den letzten dreißig Jahren anhand unzähliger Studien belegt werden konnte, inwiefern Bilder von unnatürlich dünnen (meist weiblichen) Körpern sich als krankmachende Botschaften in der Psyche der Menschen (meist junger Mädchen und Frauen) einnisten und diese dann alles versuchen, um dem Schlankheitsideal zu entsprechen, ist Herrn Kriser entweder unbekannt oder er ignoriert es zugunsten seines lukrativen Geschäfts. Botschaften wie diese sind nicht nur haarsträubend dumm, sie sind vor allem gefährlich, was sich angesichts des eklatanten Ansteigens von Ess-Störungen beweisen lässt. (dabu/dieStandard.at, 21.04.2009)