Eine große Wirtschaftskrise wird durch folgenden Widerspruch vertieft: Die einzelnen Akteure versuchen, ihre eigene Lage zu verbessern und verschlechtern dadurch die Gesamtsituation, also auch ihre eigene Lage.
Einige Beispiele:
1) Die Haushalte reagieren auf Vermögensverluste mit höherem Sparen, die Umsätze der Unternehmen sinken und damit Produktion und Beschäftigung.
2) Durch den Verfall der Hauspreise werden Hypothekarkredite "faul". Um zu retten, was zu retten ist, lassen die Banken die Schuldner-Häuser versteigern, was den Preisverfall noch beschleunigt.
3) Zur partiellen Kompensation ihrer Verluste erhöhen die Banken die Zinsspanne, dies dämpft die (schon schwache) Kreditnachfrage für Investition und Konsum.
4) Um ja nicht den Eindruck von Verstaatlichung zu erwecken, gibt der Staat den Banken stimmloses Eigenkapital, verlangt dafür aber 8 Prozent Zinsen, was die Zinsspanne zusätzlich steigert.
5) Um die Not der eigenen Volkswirtschaft zu lindern, flüchtet die Politik zu (kaschiertem) Protektionismus, je mehr Länder diesem Rezept folgen, desto stärker schrumpft die Weltwirtschaft.
Fazit: In einer umfassenden Krise führt die Verfolgung des Eigennutzes nicht zu einer effizienten Koordination der individuellen Pläne, sondern schafft Verluste für alle („Loss-Loss-Spiel"). Die "unsichtbare Hand des Marktes" führt das Gesamtsystem nach unten (selbst in Normalzeiten erweist sich dieses Konzept mehr als frommer Wunsch der Vermögenden denn als Faktum). Ein solcher Prozess kann nur durch das zweite Koordinationssystem gestoppt werden, die Politik. Aber wie? Dazu muss man die Interaktion der Wirtschaftssektoren betrachten.
Die Haushalte lassen den Großteil ihrer Einkommen den Unternehmen zufließen (Konsum), einen Teil sparen sie (Überschuss). "Übernehmen" die Unternehmen dieses Sparen in Form von Investitionskrediten (Defizit) und verwandeln es so in Realkapital und Arbeitsplätze, dann hat der Staat ein ausgeglichenes Budget. Denn die Summe aller Salden ist immer null. Berücksichtigen wir noch das jeweilige Ausland, so würde der Staat sogar einen Überschuss erzielen, wenn das Ausland ein Defizit macht (wenn das eigene Land einen Leistungsbilanzüberschuss ausweist). Wenn nun die Haushalte durch Konsumverzicht ihre Überschüsse steigern wollen, die Unternehmer ihr Defizit durch Investitionskürzungen verringern und auch das Ausland seine Nachfrage senkt, dann "erleidet" der Staat einen massiven Defizit-Anstieg: Das BIP sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt, Steuereinnahmen gehen zurück.
Dieser Prozess ist derzeit voll im Gange. Was wäre zu tun? Wenn das BIP in einem Land trotz Konjunkturpakets um vier Prozent zu schrumpfen droht, so muss das Budgetdefizit um weitere vier Prozent des BIPs ausgeweitet werden, am besten durch solche Ausgaben, die die Wachstumsbedingungen auch langfristig verbessern (Bildung, Infrastruktur, Forschung) oder die Nachfrage besonders effizient stimulieren (Transfers für sozial Schwache). Verzichtet ein Finanzminister darauf, um den Defizitanstieg in Grenzen zu halten, wird er später erst recht ein höheres Defizit "erleiden". Grund: der unzureichend gebremste Konjunktureinbruch.
In den USA und Japan, aber selbst in China, orientiert sich die Politik an diesem „Sparparadox", nicht aber in der EU. Hier hat sich die Vorstellung seit 20 Jahren verfestigt, dass es der Staat allein in der Hand hat, seinen Budgetsaldo zu bestimmen (daher die Maastricht-Kriterien). Die Interaktion aller Sektoren einer Wirtschaft wird vernachlässigt, also der systemische Kontext der Budgetdynamik ("Maastricht error"). Folge: Die Konjunkturpakete sind in der EU (viel) kleiner als in den USA, Japan oder China.
In der Eskalation des Konflikts um die Finanzierung der Bildungsreform in Österreich spiegelt sich die Krisendynamik im Kleinen:
Q_Der Finanzminister folgt der ihm vorgegebenen Logik, und die besteht wesentlich aus den Budgetregeln des „Stabilitäts- und Wachstumspakts" der EU. Daher wollte/konnte er die Wünsche der Bildungsministerin nicht erfüllen.
Q_Die Bildungsministerin möchte ihre Reformvorhaben vorantreiben und fordert daher von den Lehrer/Innen eine zusätzliche Unterrichtsstunde als „Solidarbeitrag".
Q_Die Lehrer/Innen begreifen dies als Lohnkürzung je Unterrichtsstunde und sehen nicht ein, warum gerade sie als Einzige so einen Beitrag leisten sollen, zumal sie dies als „Unsolidarität" mit den arbeitslosen Junglehrern empfinden.
Wie im Großen entwickelt sich im Kleinen (Österreich) das Zusammenwirken der „Eigennutze" der verschiedenen Akteure zu einem „Loss-Loss-Spiel", in dem alle verlieren (zusätzlich verschärft durch die parteipolitischen „Eigennutze"). Eine Koordination auf höchster politischer Ebene wäre not-wendend. Zu den Kriterien für eine Lösung: siehe oben.