Die mutmaßlichen CIA-Verbindungen des früheren Presse-Chefredakteurs Otto Schulmeister, enthüllt vom Nachrichtenmagazin profil, waren kein Einzelfall, sagt der Grazer Zeithistoriker Siegfried Beer zum Standard: "Ich sehe eine gewisse diesbezügliche Tradition in der Presse, von den Molden-Jahren über Schulmeister bis hin zu Chorherr." Beer, der das "Austrian Center for intelligence, propaganda and security studies" leitet, hat die Akten durchforstet: "Aus Sicht aller Geheimdienste war die systematische Abschöpfung von Journalisten ein wichtiges Phänomen des Kalten Krieges."

Interessant an den Schulmeister-Akten sei zudem auch der Zeitpunkt ihres Auftauchens, sagt Beer: Nach den Bestimmungen des amerikanischen "Nazi War Crimes Disclosure Act" waren sie im Jahr 2006 freigegeben worden. Der Name des renommierten Journalisten stand auf einer CIA-Liste, auf der die Namen von NS-Kriegsverbrechern und Personen vermerkt sind, die mit Kriegsverbrechern zu tun hatten - etwa der ehemalige Bundespräsident Kurt Waldheim. Schon im Jahr 2000 gelangte besagte Liste nach Österreich, damals sei von Schulmeister nicht die Rede gewesen. Erst 2006 findet sich sein Name darauf. Beer: "Dies hat mit dem slowakisch-faschistischen Journalisten Fritz Fiala zu tun, mit dem Schulmeister offenbar in Belgrad zu tun hatte." Fiala war ein Doppelagent, der später in Prag vor Gericht gestellt wurde. Er hatte im Auftrag Adolf Eichmanns das KZ Auschwitz besucht und dieses als "Erholungsheim" beschrieben. Schulmeister arbeitete in der von den Nazis kontrollierten Donauzeitung. Wie eng der Kontakt zwischen den beiden war, gehe aus den Unterlagen nicht hervor.

Aus tiefer Überzeugung

Schulmeisters spätere Hinwendung zu den Amerikanern sei aber nicht durch Erpressung, sondern aus tiefer Überzeugung geschehen. Mit Nixons Entspannungspolitik Anfang der 70er-Jahre sei er nicht einverstanden gewesen - "damals wandte er sich ab". Wie Beer meint auch der Wiener Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell, die Medienbranche wäre nach den Fällen Zilk und Schulmeister gut beraten, jene Zeit in größerem Zusammenhang aufzuarbeiten. Hausjell: "Sonst entsteht womöglich der Generalverdacht, die gesamte Branche sei von diesem oder jenem Geheimdienst infiltriert gewesen." Ohne Zustimmung der Alliierten durfte nach dem Krieg keine Zeitung erscheinen. Viele Journalisten wurden zum Wiederaufbau des österreichischen Pressewesens zwar dringend gebraucht, galten aber als "belastet". Hausjell: "Die Zustimmung der Alliierten zur Beschäftigung bestimmter Journalisten hat eben eine gewisse Gegenleistung erfordert."

STANDARD-Herausgeber Oscar Bronner sagt, die Aufarbeitung der Rolle der Medien in dieser Zeit sei "bestimmt eine sinnvolle Sache" - eine entsprechende Initiative werde auch durchaus im Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ) zu diskutieren sein.

Der Presse-Eigentümervertreter, Styria-Vorstandschef und VÖZ-Präsident Horst Pirker, plädiert nicht nur in diesem Fall für "absolute Transparenz". Er könne sich gut vorstellen, dass sein Haus künftig Dissertationen und Habilitationen zu diesem Thema "wirtschaftlich unterstützen werde". Eine VÖZ-Initiative halte er für weniger sinnvoll: "Das würde vor allem den finanziellen Rahmen sprengen."(Petra Stuiber, DER STANDARD; Printausgabe, 21.4.2009)