Der Mailänder Giorgio Madia (37) soll eine neue Balletttruppe im Haus am Währinger Gürtel formen. Er verspricht einen Zugang ohne Scheuklappen

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Nicht nur, dass dem Vernehmen nach Helmuth Lohner künftig an der Volksoper inszenieren wird. Mit dem in Basel tätigen Italiener Giorgio Madia hat Volksoperndirektor Rudolf Berger einen neuen Ballettchef gefunden. Dessen Ziel: publikumsfreundlich sein. Ein Porträt.


Wien - Die Volksoper erhält mit Beginn der Spielzeit 2003/ 04 einen neuen Ballettchef: Giorgio Madia, gebürtiger Mailänder, 37 Jahre alt und zurzeit 1. Ballettmeister in Basel, kam vergangene Woche zum Lokalaugenschein.

Der erste Eindruck hat ihn optimistisch gestimmt. Fünfzehn Tänzer übernimmt er vom bestehenden Ensemble, 15 weitere wird er neu engagieren. Dass ihn Rudolf Berger, der designierte Volksoperndirektor, auserkoren hat, kam für ihn "schnell", aber nicht ganz "unerwartet".

Madia ist in Fachkreisen kein Unbekannter, einen Österreich-Bezug gibt es bereits: An der Staatsoper und an deren angegliederter Schule reüssierte er als Trainingsleiter. Für die Seefestspiele Mörbisch hat er 2002 Emmerich Kálmáns Gräfin Mariza mit pfiffigen Tanzeinlagen versehen, heuer folgt die Franz-Lehár-Operette Giuditta.

"Ich liebe Operette, ich liebe Musical, ich liebe modernes Ballett und jede Art von dynamischen Tanz. Ich mag Zirkus und Akrobatik. In diesen Genres zu arbeiten, nehme ich ernst. Da ist nichts Herabwürdigendes dabei. Ich schätze Fantasie und lache gerne", sagt Giorgio Madia.

Als Choreograf, und da hat Madia flott getanzte Piecen in Zürich, Basel und Lodz (Polen) - wo er ein 55-köpfiges Ballettensemble leitete - geboten, sieht er sich selbst in der Rolle des Publikums: "Als Zuschauer möchte ich mich nicht langweilen. Ich mag keine Aufführungen, bei denen ich ständig gezwungen bin, irgendwelche Probleme zu wälzen. Ich möchte in das Geschehen involviert sein, daran imaginär teilhaben."

Wohl wird er hohe Forderungen an seine zukünftige Kompanie stellen. Er selbst hat eine schillernde Tänzerkarriere hinter sich. Ausgebildet an der "streng klassischen" Ballettschule des Teatro alla Scala (Mailand), trat er Solistenengagements unter Maurice Béjart an, tourte mit Ètoiles der Pariser Opéra unter Rudolf Nurejew um die Welt, tanzte in renommierten Kompanien in den USA (Pennsylvania und San Francisco) und war dann noch beim Balletto di Toscana und beim Ballett Zürich (unter Bernd R. Bienert und Heinz Spoerli) aktiv.

Zwei Jahre mit Option

An der Volksoper hat er einen Vertrag auf zwei Jahre mit Option auf Verlängerung unterschrieben. Dass an der Volksoper einiges anders ist als beim Ballett Basel, wo er pro Jahr rund 90 Tanzabende präsentiert, ist Madia klar. Er schätzt die Aufbauphase, weiß, was in der ersten Spielzeit zu leisten ist, um eine Kompanie zu etablieren. Vorerst, im Jänner 2004, zieht das Staatsopernballett mit einer zeitgenössischen Fassung von Der Nussknacker in der Choreografie des Norwegers Jo Stromgren in die Volksoper ein. Zusätzlich wird es mehrere Vorstellungen einer Art "Plattform" geben, in denen fünf oder sechs selektierte österreichische Kompanien aus der freien Szene sich in Kurzstücken darbieten werden. Für Madia heißt das: "Die Volksoper muss für zeitgenössischen Tanz offen sein. Nur durch Austausch können wir lernen."

Seinen persönlichen kreativen Einstand gibt Giorgio Madia im März 2004: "Meine erste Produktion ist ein Handlungsballett. Ein Stück, mit dem ich unterschiedliche Publikumsschichten ansprechen möchte. Meine Idee ist es, Lewis Carrolls Alice im Wunderland auf die Bühne zu bringen." Warum? Giorgio Madia: "Ich kenne keine Ballettfassung davon. Es ist eine Geschichte, die mich fasziniert. Sie ist geradezu ideal, um Tänzer in ihrer Expressivität zu fordern und Charaktere herauszuschälen. Jeder soll das Beste von sich geben können. Das ist mein vorrangiges Ziel."
(DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2003)