Die Österreichischen Bundesbahnen drängen auf Abriss und Neubau des Salzburger Hauptbahnhofes. Architekturexperten warnen jedoch vor dem Verlust eines historisch wertvollen Ensembles, eine Bürgerinitiative hat bereits Tausende Unterschriften gesammelt.


Salzburg - Geht es nach den ÖBB, wird der Salzburger Hauptbahnhof völlig neu gestaltet. Den Eisenbahnern ist vor allem der bestehende Mittelbahnsteig im Weg. Das Gleiskonzept stamme noch aus jener Zeit, als Salzburg ein typischer Grenzbahnhof nach Bayern gewesen sei. Mit dem Fallen der Grenzbalken in Europa benötige der Bahnhof mehr durchgehende Gleise; nicht zuletzt, um einen S-Bahn-Verkehr im Grenzraum Salzburg/Bayern einführen zu können. Für den Neubau liegt ein Entwurf des Grazer Architekten Klaus Kada vor, der auch den Abbruch des Mittelbahnsteiges vorsieht.

Gegen den Abriss regt sich freilich seit Jahren heftiger Widerstand. Eine kleine Bürgerinitiative hat Tausende Unterschriften gesammelt. Sie will vor allem den Marmorsaal erhalten. In dem mit 200 Millionen Jahre altem Korallenmarmor ausgekleideten Saal befindet sich heute das Bahnhofsrestaurant. Aber auch die Salzburger Verkehrsinitiativen meinen, fünf Fernverkehrsgleise seien ausreichend, der Saal könne bestehen bleiben.

In ihrer jüngsten Broschüre zur "Bahnhofsoffensive" fahren nun die ÖBB heftige publizistische Geschütze gegen den Versuch auf, den Mittelbahnsteig zu bewahren: Nach den Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg seien wesentliche Teile des Bahnhofes neu aufgebaut worden, die architektonische Geschichte "ist 50 Jahre jung". Alles andere wäre "Legende".

Diese Darstellung sei unvollständig und "offensiv eine Fehlinformation", ärgert sich der renommierte Salzburger Architekturpublizist Norbert Mayr im STANDARD-Gespräch. Was in der ÖBB-Broschüre nicht steht: Wesentlichen Teilen des Bahnhofes wurde vom Bundesdenkmalamt als "letzte erhaltene Eisenbahn-Hallenkonstruktion dieser Art in Österreich" Schutzwürdigkeit zuerkannt. Mit dem Neubauprojekt würde der Gesamtcharakter des Ensembles zerstört, es würden nur noch einige der aus der Monarchie stammenden Eisenbögen in das neue Stahlwerk integriert. "Wie früher alte griechische Säulen in christliche Kirchen eingebaut worden sind", erläutert Mayr.

Er verlangt von den ÖBB nicht nur mehr Transparenz in der Debatte, sondern glaubt auch, dass andere Planungsvarianten einbezogen werden müssten. Eine "denkmalgerechte Revitalisierung" hätte viele Entwicklungsmöglichkeiten - von der kleinteiligen Geschäftszeile bis zum Dachcafé. (neu / DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2003)