Belgrad - Die mit der Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic in Zusammenhang gebrachte Mafia-Gruppe aus dem Belgrader Vorort Zemun, der sogenannte Zemun-Klan, ist Ende Jänner 2003 zum ersten Mal ins Rampenlicht gerückt. Der übel beleumundete Belgrader Geschäftsmann Ljubisa Buha, vermeintlicher Anführer einer anderen hauptstädtischen Mafia-Gruppe, jener aus Surcin (ein anderer Vorwort), hatte nämlich seiner "unlauteren Geschäftskonkurrenz" auch etliche Mordfälle angelastet.

Buha, der sich seit einem fehlgeschlagenen Attentatsversuch im letzten August im Ausland versteckt, hatte Belgrader Medienredaktionen in Telefongesprächen genau über die Zemun-Mafia unterrichtet, die angeblich auch für die Entführung und Ermordung des einstigen serbischen Präsidenten Ivan Stambolic im August 2000 verantwortlich ist. In die Ermordung von Stambolic soll laut Buha der einstige Befehlshaber der Spezialpolizeieinheit JSO des früheren serbischen Staatssicherheitsdienstes, Milorad Lukovic (früher Ulemek) alias "Legija", direkt verwickelt sein.

Der Geschäftsmann hatte gleichzeitig die Bereitschaft bekundet, seine Erkenntnisse auch der Polizei und den Justizbehörden zu übermitteln. Dies soll unter anderem auch durch das neulich erlassene Gesetz über den Kampf gegen die organisierte Kriminalität ermöglicht werden, welches auch den Zeugenschutz eingeführt hat.

Nach Regierungsangaben hatte die Spezialstaatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Zemun-Gruppe, die größte Mafia-Gruppe auf dem Balkan, gerade abgeschlossen. Für Mittwoch waren demnach die ersten Festnahmebefehle geplant.

Unter Berufung auf Polizeikreise hatte die Belgrader Tageszeitung "Blic" Anfang Februar berichtet, daß sich die Zemun-Familie vorwiegend mit Rauschgifthandel befaßt und darin zeitweise auch eng mit der Surcin-Gruppe kooperiert habe. Ende des Jahres 2000 sollten die Gruppenmitglieder eine neue lukrative Geschäftstätigkeit - Entführungen reicher Geschäftsleute - entdeckt haben. Alleine die Entführung eines Belgrader Bankiers soll der Gruppe im Jahr 2001 mindestens sieben Millionen Euro an Lösegeld eingebracht haben. Gegen die Gruppenmitglieder waren in letzten drei Jahren - erfolglos - mindestens 100 Strafanzeigen eingereicht worden. Die tatsächlich verurteilten Mitglieder lassen sich an einer Hand abzählen. Die Gruppe, zu der auch mehrere einstige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes zählen sollen, hat angeblich weiter ihre Informationsquellen in hohen Polizeikreisen.

Auch die Amtsenthebung des Chefs der serbischen Agentur für Sicherheit und Information (ex-Staatssicherheitsdienst) Andrija Savic war Ende Jänner mit der Entschlossenheit der Regierung in Verbindung gebracht worden, das weitere Durchsickern von Polizeiinterna zu verhindern. Gerade der Stellvertreter Savics, Milorad Bracanovic, wurde enger Kontakte zur Zemun-Gruppe verdächtigt.

Die Zemun-Gruppe, zu deren Spitze der "Geschäftsmann" Dusan Spasojevic zählt, war eine Zeit lang durchaus salonfähig. Spasojevic hatte in den späten neunziger Jahren, als in Zemun die Ultranationalisten an der Macht waren, ein großes Geschäftszentrum in diesem Stadtteil angelegt, in dem sich nach Medienberichten auch ein Privatgefängnis befinden sollte. Zufrieden waren allerdings auch die Nachbarn, Spasojevic hatte seine Großzügigkeit nämlich auch durch die Anlegung eines Kinderspielplatzes an den Tag demonstriert.

Der serbische Innenminister Dusan Mihajlovic hatte im letzten Juni zum ersten Mal Polizeiermittlungen veröffentlicht, wonach es Pläne für ein Attentat auf Djindjic gegeben haben soll. Die Aussage erfolgte nach der Ermordung eines Spitzenfunktionärs des Innenministeriums. Im Oktober waren in diesem Zusammenhang mehrere Personen festgenommen worden, der Gruppenleiter Zeljko Maksimovic alias "Maki", ein Freunde der Zemun-Boße, konnte sich ins Ausland abzusetzen.

Auch der Hauptakteur des mißlungenen Attentatsversuches auf Djindjic am 21. Februar, Dejan "Bugsy" Milenkovic , gehört zur Zemun-Gruppe. Wie der serbischer Vizeministerpräsident Zarko Korac am Donnerstag gegenüber B-92 erklärte, hatte Milenkovic gleich nach dem damaligen Attentatsversuch und seiner Enthaftung Zuflucht bei Spasojevic gefunden. Als die Polizei später erneut versuchte, Milenkovic festzunehmen, hatte dieser sich längst aus dem Staub gemacht. (APA)