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Rita Levi-Montalcini spricht bei der Pressekonferenz anlässlich ihres 100. Geburtstags zu Journalisten.

Foto: AP/Riccardo De Luca

Rom - 100 Jahre trägt sie auf ihren schmalen Schultern, doch vom Ruhestand will sie nichts wissen. Täglich arbeitet Rita Levi-Montalcini immer noch in ihrem Labor an ihren Forschungen, in Rom ist sie Senatorin auf Lebenszeit und unterstützt unermüdlich Wohltätigkeitsprojekte in Afrika. Die Grande Dame der italienischen Medizinforschung, die 1986 für ihre Entdeckung des Nervenwachstumsfaktors (NGF) mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, wird am morgigen Mittwoch 100 Jahre alt. Sie ist die älteste lebende Nobelpreisträgerin.

In Rom wurde die charismatische Rita Levi-Montalcini mit einer Zeremonie im Obersten Gesundheitsinstitut geehrt, in dem sie seit 1963 arbeitet. Trotz angegriffener Gesundheit ist die gebürtiger Turinerin nach wie vor Mitglied des Nationalen Wissenschaftsrats, Präsidentin der Multiple-Sklerose-Gesellschaft und nimmt engagiert zu aktuellen Fragen Stellung.

Alter als Chance

Das hohe Alter macht der Neurobiologin keine Angst. Im Gegenteil, sie sieht das Altern als Chance. "Mein Gehirn arbeitet jetzt besser als mit 20. Hinzu habe ich noch den Vorteil der vielen Erfahrung, die ich angesammelt habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich 100 Jahre alt werde, ich hatte ein Leben voller Freude, wie sie Wenige gehabt haben", so Levi-Montalcini.

Das Geheimnis ihres hohen Alters ist laut der Forscherin im totalen Desinteresse für ihre eigenen Bedürfnisse zu suchen. "Ich stehe ausschließlich im Dienst der Forschung, ich habe in meinem Leben weder Ruhm noch Geld angestrebt", sagte sie.

Auch den Tod fürchtet sie nicht. "Ich denke nicht an den Tod, der mich schon morgen besuchen könnte. Wichtig ist, was man den Mitmenschen hinterlässt", sagte die Wissenschafterin, die in ihrer Karriere stets Frauen in der Wissenschaft gefördert hat. "Frauen haben viel Sensibilität und Durchsetzungskraft", erklärte die Nobelpreisträgerin, die nie geheiratet hat. "Schon mit 20 wusste ich, dass ich weder Ehefrau noch Mutter sein wollte. Das habe ich meinem eher konservativen Vater offen gesagt, der resignieren musste", so Levi-Montalcini.

Widerstandskämpferin und Entdeckerin des Wachstumsfaktors der Nervenzellen

Am 22. April 1909 in Turin geboren (ihre Schwester Paola, Malerin wie die Mutter, starb im Jahr 2000), studierte sie beim Histologen Giuseppe Levi Medizin. 1938 brach ihre Karriere ab, als Italien die NS-Rassegesetze übernahm. Sie emigrierte mit Giuseppe Levi nach Brüssel, kam im Krieg als Widerstandskämpferin nach Italien zurück, wurde Ärztin bei den Alliierten und ging 1947 in die Vereinigten Staaten, wo ihr die Entdeckung des Wachstumsfaktors der Nervenzellen gelang. Es handelt sich dabei um einen Eiweißstoff, der für das Wachsen der Nervenfasern und das Überleben der Nervenzellen unabdingbar ist. Forscher gehen davon aus, dass das Protein in der Therapie von Alzheimer und Multipler Sklerose eingesetzt werden kann. Dafür erhielt sie 1986 zusammen mit dem Biochemiker Stanley Cohen den Nobelpreis. 1963 war sie nach Italien zurückgekehrt.

Heute ist Rita Levi-Montalcini immer noch unterwegs, wenn es um humanitäre Hilfe geht. In Andenken an ihren Vater gründete sie die Stiftung "Levi-Montalcini", mit der sie sich für mehr Bildung der Frauen in Afrika einsetzt und ihnen so die Tür zur Emanzipation öffnet. Auch bei Amnesty International engagiert sie sich mit der Forderung, Gewalt gegen Frauen in aller Welt zu stoppen. Obwohl sie viele Jahre in den USA verbracht hat, liebt Montalcini ihre Heimat über alles. "Wir haben das Glück in einem wunderschönen Land mit vielen Talenten zu leben", sagt sie. In Italien wird sie hoch verehrt. 2001 wurde sie vom damaligen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt. Eine Ehre - und eine Aufgabe, die sie heute noch mit viel Engagement wahrnimmt. Mehrfach war ihre Stimme im Senat in Rom das Zünglein auf der Waage - zumeist gegen Projekte von Silvio Berlusconi. (APA)