Unter hohem ausländischen Druck hat das Finanzministerium Mitte März seine Haltung zum Bankgeheimnis geändert. Einerseits wolle Österreich nunmehr Art. 26 des OECD-Musterabkommens in den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten umsetzen und damit den Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden erleichtern. Andererseits soll das wohlbehütete und - de facto - im Verfassungsrang stehende Bankgeheimnis des § 38 Bankwesengesetz (BWG), eines der strengsten der Welt, gewahrt bleiben.
Begründet wurde dieser Schritt damit, dass Vorbehalte gegen die unklare Formulierung von Art. 26 des Musterabkommens durch eine neue Auslegung der OECD ausgeräumt werden konnten. Außerdem wolle Österreich seinen Beitrag zur Verbesserung internationaler Transparenzstandards leisten.
Bis dato konnten sich Österreicher - und in Österreich ihr Geld anlegende Ausländer - einer restriktiven Auskunftsbeschränkung sicher sein. So ist eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses in Bezug auf Finanzvergehen nur im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, die Finanzordnungswidrigkeiten übersteigen, möglich. Bis zur Einleitung eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens durch den Einleitungsbescheid und dessen Zustellung an den Beschuldigten bzw. bis zur Einleitung gerichtlicher Voruntersuchungen haben Auskünfte an staatliche Stellen unbeantwortet zu bleiben.
Vergleichbare Verfahren
Eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses bei Auskünften zu ausländischen Finanzstrafverfahren bestand ebenfalls nur in engen Grenzen. So mussten für eine zulässige Auskunftserteilung eine grundsätzliche Vergleichbarkeit des ausländischen Verfahrens mit dem inländischen sowie eine Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen in Form der Rechts- oder Amtshilfe vorliegen. Dies führte dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof 2006 das Finanzstrafverfahren in Deutschland gegenüber dem österreichischen verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren als nicht vergleichbar ansah, weil es in Deutschland insbesondere an einem rechtsmittelfähigen Einleitungsbescheid mangelt.
In Zukunft soll bei Anfragen ausländischer Behörden bereits ein gut dokumentierter, begründeter Verdacht auf ein Steuervergehen ausreichen, um das Bankgeheimnis zu durchbrechen und Konteninformationen der unter Verdacht geratenen Person zu erhalten. Ab wann ein "begründeter" Verdacht ohne eingeleitetes Strafverfahren vorliegt, um Informationen an ausländische Steuerbehörden weiterzuleiten, soll gesondert in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen normiert werden.
In der Praxis wird es wohl zu einer deutlich erhöhten Anzahl von Anfragen ausländischer Steuerbehörden kommen. Eine umfassende rechtliche Überprüfung des Verdachts im Einzelfall erscheint - in faktischer und organisatorischer Hinsicht - mehr als fraglich. Dies würde de facto einer Aufgabe des Bankgeheimnisses gegenüber ausländischen Steuerbehörden gleichkommen und eine erhebliche Änderung in seiner Rechtsanwendung bedeuten.
Für eine entsprechende materielle Änderung von § 38 BWG wäre eine Änderung durch eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat nötig. Das Finanzministerium sieht dies anders und geht von einer "Ergänzung" des § 38 BWG durch die Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen aus. Unklar ist weiters, ob sämtliche rund 80 bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen an die Vorgaben von Art. 26 des OECD-Musterabkommens angepasst werden sollen oder bloß jene mit den 30 OECD-Staaten.
Leider scheint sich hier eine "österreichische Lösung" durchzusetzen, die als ein in der Praxis schwer zu handhabender Kompromiss nicht geeignet erscheint, abschließende Rechtssicherheit für Bankkunden, Kreditinstitute und Behörden zu schaffen. (Martin Zuffer, DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2009)