Jürgen Vogel als Triebtäter.

Foto: WDR/Anne-Kathrin Golinsky/Kinowelt Filmverleih
Foto: WDR/Anne-Kathrin Golinsky/Kinowelt Filmverleih

Wie erkennt der Triebtäter den Trieb? "Die Kellnerin aus der Pizzeria, die gefällt mir. Aber die gefällt mir irgendwie auch wieder nicht." Diese Erkenntnis hat Theo, nach neun Jahren Maßregelvollzug ist er wieder in Freiheit und glaubt, seine Triebe kontrollieren zu können: "Ist alles nicht so schlimm, alles im grünen Bereich." Vorerst. In Matthias Glasners "Der freie Wille" versucht Triebtäter Theo zu beweisen, dass es möglich ist, ein gesundes, normales Leben zu leben, auch wenn man einmal falsch angefangen hat.

Eine Zeitlang geht tatsächlich alles halbwegs gut, Trieb zwar da, aber alles im grünen Bereich. Und Theo lernt Nettie (Sabine Timoteo) kennen. Normalität stellt sich trotzdem keine ein. Nettie ist die Tochter seines Chefs (Manfred Zapatka) und löst sich aus einer zwanghaften Beziehung zu ihrem Vater. Der sieht in ihr eine Ersatzehefrau und missbraucht sie psychisch. Nettie zieht aus und verliebt sich in Theo, ohne zu wissen, was in Theo steckt.

Minutenlange Vergewaltigungsszene

Der Film schockiert mit einer minutenlangen Vergewaltigungsszene zu Beginn. Was folgt, sind genaue Blicke auf die Vorgänge im Inneren, die sich besonders im ersten Teil in der vollen Konzentration auf Körperlichkeiten ausdrückt. Klimmzüge, Karate, Schwitzen, Atemlosigkeit, Keuchen, Stöhnen - nur der Körper kann den Trieb bändigen. Der Geist ist ihm ausgeliefert.

Dass Der freie Wille zu einer Sternstunde des deutschen Films wurde, verdankt er vor allem seinen Autoren Judith Angerbauer, Matthias Glasner und Jürgen Vogel. 2006 war "Der freie Wille" bei der Berlinale viel diskutiert und gewann schließlich den Silbernen Bären. Unumstritten war die schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller. Matthias Glasner stellte später als Regisseur der Krimiserie KDD sein Talent für dunkle Seelenräume unter Beweis. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 22.4.2009)