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Foto: AP /Riccardo De Luca

Mein Gehirn arbeitet jetzt besser als mit 20. Und das Alter hat den Vorteil, dass man keinen Zorn mehr fühlt. Müdigkeit kenne ich nicht. Ich war stets Optimistin, und bin es heute noch." Die italienische Medizinnobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini, sie wird heute 100, hat dieser Tage weniger Probleme denn als Kind. Da fürchtete sie sich am Tag vor Erwachsenen und bei Dunkelheit vor Gespenstern.

Ihren Vater, den jüdischen Mathematiker und Ingenieur Adamo Levi, wollte sie wegen seines Schnurrbartes nicht küssen. In den Park ging sie ungern, weil sie beim Seilspringen die schlechteste war. Als das wie eine zweite Mutter verehrte Kindermädchen Giovanna unheilbar an Krebs erkrankte, beschloss die 19-Jährige, Medizin zu studieren. Ein Wunsch, den sie gegen den Willen des Vaters durchsetzte. 1930 begann sie ihr Studium an der Universität Turin. Wegen der faschistischen Rassengesetze übersiedelte die junge Assistentin nach Brüssel, kehrte aber nach dem deutschen Einmarsch in Belgien zurück. Um ihre Forschungsarbeit fortzusetzen, richtete sie in ihrem Schlafzimmer ein behelfsmäßiges Labor ein. Unter deutscher Besatzung hielt sie sich in Florenz versteckt.

Nach Kriegsende arbeitete sie zunächst als Ärztin in einem Flüchtlingslager und begann 1945 mit dem Studium der Biologie. 1947 ging sie in die USA, wo sie im Labor des deutschen Zellforschers Viktor Hamburger die Funktion des Nervensystems erkundete. "I'm my own husband", pflegte sie auf Fragen nach ihrem Mann zu antworten.

"Meine Person war mir stets unwichtig, Forschung bedeutete mir alles. Nach Ruhm oder Reichtum habe ich nie gestrebt", fasst sie ihr simples Credo zusammen. Die stets elegant gekleidete und tadellos frisierte Neurobiologin begnügt sich mit einer Mahlzeit pro Tag und schläft nur drei Stunden lang. Sie schreibt Bücher, hält Vorträge in aller Welt und verbringt jeden Vormittag in dem von ihr gegründeten European Brain Research Institute vor den Toren Roms, das vorwiegend Frauen beschäftigt - "als kleine Wiedergutmachung für deren massive Benachteiligung in Forschung und Lehre".

Im Parlament ist die Senatorin auf Lebenszeit seit dem Sturz der Regierung Prodi, der sie gemeinsam mit zwei Kollegen das Überleben gesichert hatte, seltener zu sehen: "Jetzt ist meine Stimme ja nicht mehr entscheidend." Dem Tod sieht die Nobelpreisträgerin von 1986 mit Gelassenheit entgegen: "Nur der Körper stirbt. Entscheidend ist das, was wir unseren Mitmenschen hinterlassen." (Gerhard Mumelter/DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2009)

 
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