Ranchi/Neu-Delhi - Mit einer vorübergehenden Geiselnahme von Hunderten Zugfahrgästen haben maoistische Rebellen in Indien während der wochenlangen Parlamentswahlen erneut für Unruhe gesorgt. Vier Stunden nach ihrem Überfall auf einen Zug im nordostindischen Unionsstaat Jharkhand ließen die Rebellen am Mittwoch ihre Geiseln wieder frei, wie die Polizei mitteilte. Unterschiedlichen Angaben zufolge befanden sich zwischen 300 und 700 Personen an Bord des gekaperten Zuges.
Mindestens 200 maoistische Rebellen stürmten nach Angaben der Polizei den Zug in einem Bahnhof im Bezirk Latehar und brachten die mehreren hundert Fahrgäste in ihre Gewalt. Rund vier Stunden nach dem Überfall ließen die Rebellen ihre Geiseln frei und flohen. Die Geiseln seien alle wohlauf, sagte der Polizeisprecher. Nach Angaben eines Sprechers der Bahngesellschaft konnte zu den Geiselnehmern kein Kontakt aufgenommen werden. Die Rebellen hätten die Kommunikationswege unterbrochen, sagte A.K. Chandra dem Nachrichtensender NDTV. Sicherheitskräfte umstellten den Zug, auch Hubschrauber waren im Einsatz.
Die Geiselnahme war offenbar eine Strafaktion für den Verstoß gegen einen Generalstreik, den die maoistischen Rebellen wegen der Parlamentswahlen in der Region ausgerufen hatten. Es war nicht das erste Mal, dass maoistische Rebellen einen Zug in ihre Gewalt brachten. Im März 2006 hatten sie rund 200 Zuginsassen zwölf Stunden festgehalten, sie aber schließlich unversehrt freigelassen.
Bereits der Beginn der indischen Parlamentswahlen vor einer Woche war von Gewalttaten maoistischer Rebellen überschattet gewesen. Bei mehreren Anschlägen im Osten des Landes kamen 19 Menschen ums Leben. Die Wahlen in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt werden in fünf Etappen abgehalten und dauern noch bis zum 13. Mai. Am Donnerstag sollte die zweite große Wahlrunde mit fast 200 Millionen Stimmberechtigten stattfinden.
Wahlen
Am ersten Wahltag war in zahlreichen Regionen mit maoistischem Einfluss gewählt worden. In zahlreichen dieser Bundesstaaten wird auch an diesem Donnerstag wieder gewählt. Das Wahlergebnis wird am 16. Mai verkündet.
Die maoistischen Rebellen, die auch Naxaliten genannt werden, setzen sich nach eigenen Angaben für die Belange benachteiligter Bevölkerungsschichten und landloser Bauern ein. In zahlreichen Untergruppen kämpfen nach amtlichen Angaben 9.300 Rebellen. Sie gingen 1967 aus einer Bauernbewegung hervor. Ihren Namen haben die Naxaliten vom Ort Naxalbari im nordostindischen Unionsstaat West-Bengalen, in dem ihre Bewegung entstand.
In der indischen Kaschmir-Region wurden unterdessen bei einem Bombenanschlag fünf Menschen getötet und sieben weitere schwer verletzt. Die Explosion ereignete sich am Dienstagabend (Ortszeit) im Bezirk Poonch in der Nähe eines Lastwagens, auf dem sich Zivilisten und Angehörige der Bürgermiliz VDC befanden, wie die Polizei mitteilte. Die Regierung hatte die VDC-Milizen Mitte der 90er Jahre zum Schutz vor islamistischen Angriffen ins Leben gerufen. Bei einer Schießerei mit Aufständischen im Kaschmir-Distrikt Doda wurden am Mittwoch zwei Polizisten verletzt. (APA/AFP/dpa)