Linz - Crossing Europe knüpft inhaltlich an die Linz09-Reihe "Extra Europa" an und widmet das heurige Tribute den Schweizer Regisseuren Ursula Meier und Lionel Baier. Meiers Film "Home", der heuer zum besten ihres Heimatlandes gekürt wurde, und weitere ihrer Werke feiern beim Festival ihre Österreich-Premiere. Auch Baier ist mit mehreren Beiträgen in Linz zu sehen.

Zerrissene Figuren zwischen Vernunft und Unvernunft oder geordneten und ungeordneten Verhältnissen - das sind die Themen, denen der Westschweizer in seinen variantenreichen Spiel-, Dokumentar- und Langfilmen nachgeht. In "Garcon stupide" ("Stupid Boy") führt Loic ein Doppelleben: Am Tag ist er ein braver Fabrikarbeiter, in der Nacht schläft er mit irgendwelchen Männern. Der Film wird von der Leistung des Darstellers getragen, der den schmerzhaften Prozess der Selbsterkenntnis eines Außenseiters sehr intensiv vermittelt.

Ein zweigleisiges Leben führt auch die Hauptfigur in Baiers Film "Comme des voleurs (a l'est)" ("Stealth"). Lionel befindet sich in einer scheinbar gepflegten Beziehung. Getrieben von einer unstillbaren Sehnsucht, setzt er alles aufs Spiel. Um die Unvereinbarkeit der beiden Welten zu unterstreichen, arbeitet der Regisseur in "Un autre homme" ("Another Man") mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Hier geht es um Protzigkeit der Stadt und Bescheidenheit des Landes.

Schwelende Konflikte, die plötzlich ausbrechen, stehen im Mittelpunkt von Ursula Meiers Tribute. Im Spielfilm "Home" mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle bringt die Eröffnung einer Autobahn direkt neben dem Zuhause die Familienfassade zum Zerbröckeln. Ebenfalls sehr fokussiert auf einen äußeren Handlungsraum ist Meiers Kurzfilm "Tous a table" ("Table Manners"), in dem sich Freunde zum Geburtstagsessen versammeln. Was scheinbar harmlos beginnt, bringt tiefe Konflikte zum Vorschein. Für ihren Kurzfilm "Le songe d'Isaac" ("Isaac's Dream") wurde Meier für den Oscar nominiert. Sie beschreibt darin die letzten Tage im Leben eines Mannes, der immer noch ein intensives Verhältnis zu seiner kranken Mutter hat.

Auch ein weiteres "Extra Europa"-Land wird prominent vertreten. Auf Einladung des Crossing-Europe-Partners Offenes Kulturhaus ist die Norwegerin Inger Lise Hansen als OK Artist in Residence zu Gast. Die Film- und Videokünstlerin beschäftigt sich in ihren experimentellen Arbeiten, hauptsächlich auf 16 Millimeter gedreht und größtenteils als Videoinstallationen präsentiert, mit dem Phänomen Zeit bzw. der Aufzeichnung des Vergehens von Zeit. Das Erzählkino stellt sie buchstäblich auf den Kopf: Hansen verwendet eine umgedrehte Kamera, geführt auf Schienen. Dabei ist der Horizont die richtungsweisende Linie, doch Himmel und Erde sind vertauscht und erzeugen beim Betrachter ein Gefühl der Desorientiertheit und des Schwebens. In der Linzer Innenstadt realisiert die Künstlerin eine neue Arbeit. (APA)