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Spieleplattform Wii: Für viele blieb der Erfolg bislang aus.

AP Photo/Josh Anderson

Dass Nintendo wieder einmal ganz oben auf der Chartliste der Videospielkonsolen stehen würde, stand bis 2006 in keiner Prognose der renommierten Marktanalysten. Während sich Sony auf das Wettrüsten gegen Microsoft einließ, um noch mehr Bits und Bytes durch die digitalen Kabel an den HD-Fernseher und an die Augen der Spieler zu jagen, erstaunte Nintendos Wii mit günstiger "Blockgrafik" und bewegungssensitiver Steuerung. Der Hintergedanke: Die Millionen durch traditionelle Videospiele unerreichten Menschen sollten durch ein intuitives Spielkonzept geködert werden.

Mit Erfolg. 2009 hat der japanische Spielehersteller so viele aktuelle Konsolen abgesetzt wie die Mitbewerber zusammen. Knapp 50 Millionen Wiis wurden in zweieinhalb Jahren an Mann und Frau, jung und alt gebracht. Sollten sich die neu geformten Prognosen bewahrheiten, könnte die kleine Box zum bestverkauften Spielsystem der Geschichte avancieren und sogar die PS2 (136 Mio. Stück seit 2000) überholen. Die Casual-Gaming-Hysterie ist voll entbrannt.

Schattenseite

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten und so mehrt sich nach dem Erfolgssturm der ersten Jahre die Kritik am weißen Wunderding. Wer in den vergangenen Weihnachtsgeschäften von einer Videospielrevolution in den Haushalten der breiten Masse sprach, wird angesichts jüngster Untersuchungsergebnisse und Statistiken seine Einschätzungen wohl etwas revidieren müssen.

Zwar hat es Nintendo zweifelsfrei geschafft, neue Zielgruppen anzusprechen und für sich ein lukratives Geschäft aufzubauen, die Industrie äußert allerdings vermehrt ihre Zweifel, ob die Wii eine tragende Plattform für das Geschäft mit Videospielen stellen kann. Das Problem: Nintendos Konsole verkauft sich zwar erstklassig, abseits der hauseigenen, oftmals beigelegten Spiele werden die Titel der Dritthersteller aber meist zum Ladenhüter.

Schlechte Spiele

Dafür gibt es diverse Gründe. So monieren Kritiker etwa die durchschnittlich geringe Qualität der Wii-Spiele. Laut den Marktbeobachtern von Edge erreichen lediglich 4 Prozent aller Werke für die Konsole eine Wertung von 85 Prozent oder höher, während 17 Prozent aller PS3-Titel und 13 Prozent der Xbox 360-Spiele derart gute Bewertungen erhalten. Die Daten stammen von der Internet-Plattform Metacritic, die sämtliche Spielekritiken einholt und den Wertungsdurchschnitt errechnet.

Schwierige Zielgruppe

Der zweite Grund für die vergleichsweise schwachen Verkaufszahlen der Dritthersteller wie Electronic Arts, Ubisoft, Activision oder Sega ist die schwierig zu erreichende Zielgruppe der Wii. Laut Nintendo haben lediglich 20 Prozent der Kunden zuvor schon eine andere Spielkonsole besessen. Demnach müssen Designer eine völlig neue Sichtweise bei der Entwicklung eines Spiels einnehmen. Was sich auf traditionellen Spielkonsolen bewährt, kann bei der Wii ins Leere schießen. So veranschaulichen einige gut bewertete Spiele wie das kontroverse Mad World (Sega), dass viel Blut und Action zwar bei der Kerngemeinde von Xbox und PlayStation gut ankommen, im Umfeld der Wii aber kaum gefragt sind.

"Man kann nicht einfach Spiele für Xbox 360 und PS3 entwickeln und diese dann auf die Wii portieren", betonte EA Sports-Chef Peter Moore Anfang April im Rahmen einer Konferenz und fügte an, dass EA angesichts der schwachen Leistungen seine Lektion gelernt hätte. Wie einige andere große Hersteller plant der Konzern künftig mehr eigenständige Projekte für die Wii in Auftrag zu geben.

Quelle: Nielson

Weniger Interesse

Eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen (PDF) verdeutlicht die Zielgruppenunterschiede: Die Mehrheit der Wii-Spieler ist zwischen 6 und 11 Jahre alt, während Xbox 360-Nutzer im Schnitt zwischen 12 und 17 und PS3-Anwender durchschnittlich sogar 25 bis 34 Jahre alt sind. Die Statistik zeigt auch, dass Wii-Kunden ihre Konsole mit Abstand am seltensten aufdrehen und kürzere Spiele-Sessions abhalten.

Wedbush Morgan-Analyst Michael Pachter betonte gegenüber der New York Times im April des vergangenen Jahres eine zusätzliche Problematik. Wii-Besitzer kaufen weniger Spiele, als PS3 und Xbox 360-Kunden. Pro Jahr schaffen sich Wii-Spieler mit rund 3,7 Spielen einen Titel weniger an, als Anwender der Sony- und Microsoft-Konsolen. So kommt es, dass selbst gute und zielgruppengerechte Werke vom Schlage eines "De Blob" (THQ) mit weit unter einer Million verkauften Exemplaren zum Ladenhüter werden.

Nintendo, Nintendo, Nintendo

Die Kultspieleschmiede id Software (Wolfenstein, Doom, Quake) meint gar, dass es wenig Sinn macht, überhaupt Werke für die Wii zu veröffentlichen. "Betrachtet man die Daten, (sieht man), dass die Wii in erster Linie Nintendo ist – und dann folgen erst alle anderen", sagt CEO Todd Hollenshead in einem Interview mit Gamespot. Eine Statistik von VG Chartz bekräftigt diese Ansicht. Unter den 10 meistverkauften Wii-Spielen befinden sich lediglich zwei Games von Drittherstellern. Eines davon, "Mario & Sonic at the Olympic Games" (Sega), profitierte sichtlich von der Veröffentlichung zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele 2008, das andere ist eine Version des Milliarden-Dollar-Franchises Guitar Hero.

"Unter allen anderen befinden sich Lizenzprodukte und Projekte, mit denen die Leute Geld verlieren", so Hollenshead. Für ein wirklich originelles, spielzentriertes Produkt gäbe es keinen Platz. "Zeigen Sie mir etwas, das mich von der Wii überzeugen könnte".

Vergleichsweise schwach

Wie trist die Lage für Dritthersteller aussieht, veranschaulicht selbst der Bestseller Guitar Hero III: Legends of Rock. Bei einer Installationsbasis von 50 Millionen Wiis konnte Herausgeber Activision mit 4,15 Millionen Exemplaren rund 500.000 Einheiten weniger absetzen, als auf den 30 Millionen Xbox 360 Konsolen.

Dem Analysten Michael Pachter zufolge, dürfte sich die Mehrheit der Wii-Kunden mit den wahlweise beigelegten Spielen "Wii Sports", Wii Play" oder "Wii Fit" begnügen und dann noch vielleicht das aktuelle Super Mario-Spiel nachkaufen.

Konsequenz

Wie wichtig die Generierung von hochqualitativen Spielen für eine Plattform ist, verdeutlicht der japanische Spielemarkt. Während Nintendo in Europa und in den USA weiterhin hunderttausende Wiis pro Woche absetzt, sind im Land der aufgehenden Sonne die Verkaufszahlen eingebrochen. Seit zwei Monaten verkauft sich hier Sonys doppelt so teure PS3 besser als Nintendos Massenmarktkonsole. Hintergrund: Während der Elektronikriese im ersten Quartal des Jahres gleich eine Reihe von hoch antizipierten Werken für seine Plattform verbuchen konnte, blieben die Kassenschlager für die Wii aus.

Im März ist der Absatz der erfolgreichsten Spielkonsole der Welt in Japan gegenüber dem Vorjahr um 63 Prozent auf 99.335 Stück abgesackt, während Sony 147.000 Stück der PS3 verkaufen konnte. In der Woche vor dem 19. April fielen die Wii-Verkäufe auf magere 13.000 Einheiten. Die PS3 ging dank eines Blu-ray-Films mit einer Demo zum kommenden Rollenspiel Final Fantasy 13 ganze 62.000 Mal über die Ladentheke.

Ausblick

Weltweit macht sich Nintendos Talfahrt in Japan dennoch kaum bemerkbar. In Europa und den USA scheinen die Märkte noch kaum gesättigt zu sein. Nintendo wird jedoch daran zu beißen haben, wie man die Unterstützung der Dritthersteller aufrecht erhalten kann, wenn die Erfolge ausbleiben. Umgekehrt werden sich die Dritthersteller Wege überlegen müssen, das Potenzial der rasch wachsenden und speziellen Wii-Kundschaft auszuschöpfen. Das oftmals postulierte Verlangen nach mehr Klasse statt Masse dürfte dabei nur ein Anhaltspunkt für die Wii-Entwickler sein. Denn während zunehmend kreative Ideen aus dem Boden sprießen, muss gleichzeitig auch Nintendos weiter Schatten überwunden werden. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 26.4.2009)