
Andreas Urteils 50 cm hoher Bronze-Ikarus wechselte für 17.500 Euro den Besitzer.
Als Kap der letzten Hoffnung wird der österreichische Kunstmarkt im Ausland oft belächelt. In London und Mailand mag ein Alter Meister durchgefallen oder von anderen Auktionshäusern erst gar nicht angenommen worden sein, in Wien besteht stets eine faire Chance auf einen guten Ausgang derartiger Handels-Odysseen. Als internationales Marken-Outlet eroberte sich Österreich einen lukrativen Nischenmarkt.
Im Schlagschatten altmeisterlicher Wandernieren gelingen den hiesigen Fachleuten nennenswerte Entdeckungen, und so mancher Kandidat bringt auf Wiener Boden dann ein Vielfaches der revidierten Schätzwerte oder gar einen Rekordzuschlag. Ja, auch Experten internationaler Auktionshäuser können irren, öfter zur Freude der Verkäufer, oft aber auch zu deren Nachteil.
Am Beispiel der beiden großen, "zugeschriebenen" Hoffnungsträger dieser Woche: Sowohl die Rubens-Studie als auch das Van-Dyck-Porträt, taxiert auf je 100.000 bis 200.000 Euro, blieben am 21. April im Kinsky ohne ein einziges Gebot, nicht einmal das verlockende Limit von 50.000 Euro konnte Schnäppchenjäger motivieren. Bitter, denn der Einbringer hatte, so versichert Otto-Hans Ressler im Nachhinein, diese beiden Werke als authentische Arbeiten erworben, und, so sein Nachsatz, "internationale Auktionshäuser einen Wert von je ein bis zwei Millionen Euro bestätigt" .
Den Ausgang trägt das Kinsky-Team mit Fassung, angesagte Revolutionen fänden eben nicht statt. Dafür andere. Nach einem flauen Auftakt der Sitzung, die eher dem Verlesen des Katalogindex glich, sorgte Lot Nr. 30 als Erstes für ein klassisches Bietgefecht. Neun Telefonbieter steigerten Faustino Bocchis Festtag im Zwergenreich (25/50.000) deutlich über die Taxe, den finalen Zuschlag entschied ein Italiener mit brutto 93.750 Euro für sich. Für Jan van de Vennes Versuchung des Hl. Antonius (15/ 30.000) ließ Rudolf Leopold stolze 100.000 Euro springen. Die Sensation des Tages brachte eine der Werkstatt Bartholomäus Spranger zugeschriebene und mit 4000 Euro aufgerufene Holztafel. Der Deutsche Handel setzte sich erst bei 200.000 Euro durch. Nur ein Drittel des Altmeister-Angebotes wechselte tatsächlich den Besitzer, bei Gemälden des 19. Jahrhunderts überschritt der Absatz die 40-Prozent-Hürde. Ohne Gegenwehr konnte sich hier Wolfgang Kos für sein Wien Museum ein Jungmädchenporträt der Waldmüller-Schülerin Rosalia Amon zum Limit von 56.250 Euro sichern. Mit einer Verkaufsquote von 60 Prozent war Zeitgenössisches mehr nachgefragt, konnte am tristen Ausgang nur wenig ändern. Gemäß der griechischen Mythologie stand Andreas Urteils kleine Ikarus-Bronze (17.500 Euro) letztlich synonym für die Bilanz der 73. Kunstauktion: der Absturz (auf 2,6 Mio. Euro) des Übermütigen als Strafe der Götter für den unverschämten (Gesamttaxe 4,3 bis 7,7 Mio. Euro) Griff nach der Sonne. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 25./26.04.2009)