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Über adäquaten Zu- und Umgang der Personalchefs mit Angst diskutierte eine Expertenrunde im ÖPWZ
Reden helfe - man könne kaum genug darüber reden, so Stephan Rudas, Psychotherapeut, Neurologe und Leiter des Wiener Institut für Psychosoziale Forschung zum Thema Angst im Unternehmen. Georg Horacek, Konzernpersonalchef der OMV hat als Präsident der Personaler-Plattform ÖPWZ dieses Thema für das "Spring Special" am vergangenen Dienstag in Wien gewählt.
Was kann und muss getant werden?
Kern der Diskussion: Wofür sind die Personalverantwortlichen zuständig - und wie weit? Was kann, was soll, was muss getan werden? Rudas warnte Personalverantwortliche (HR) davor, Rollen zu übernehmen, die ihren professionellen Rahmen sprengen - etwa therapeutische, auch wenn derzeit in Unternehmen das "Bedürfnis nach Realitätsbewältigung, nach Angstbewältigung besonders groß ist". Erkennen der Angstreaktionen sei HR-Geschäft, so Rudas, auch Entstigmatisieren. Dann seien aber andere Professionen gefragt.
Kein "Seelenouting"
Ob Führungskräfte als Vorbilder sich nun "entblättern" sollten, ihre eigene Angst in der Krise kommunizieren? Managementberaterin Susanna Wieseneder rät ab. Es gehe wohl um Empathie, aber nicht um "Seelenoutings" der Vorgesetzen. Gefragt seien klare Rollen.
Wie weit man sich denn "outen" solle, kam die Frage aus dem Publikum. Ein Ventil brauche es doch. "Selbstregulation", genau überlegen, wem was wann wie gesagt werde. Es bestehe natürlich die Gefahr, ganze Boards in „Panikzonen" zu manövrieren, wenn da nicht sorgsam dosiert werde, so Helmut Heidegger, McKinsey-Direktor in Wien. Wie adäquat er den Umgang in den Führungsgremien mit Angst sehe? Heidegger antwortet differenziert, und er ruft die HR auf, jetzt als Businesspartner zu agieren.
Kollektives Gedächtnis: Unternehmenskultur
Kommunikation, sagt Georg Michenthaler, Ko-Autor des Arbeitsklima-Index des Ifes-Institutes, werde leider noch immer als strategische Informationsverbreitung verstanden - da sieht er auch den Angelpunkt für Angstbewältigung im Unternehmen. Aber: In Organisationen bestehe so etwas wie ein kollektives Gedächtnis (Unternehmenskultur): Menschen merken sich sehr genau, wie mit ihnen, ihren Emotionen, ihren Bedürfnissen umgegangen wird. Wie man sich von Mitarbeitern getrennt hat, wie Sparen angegangen und wie es kommuniziert wurde. Grunderkenntnis: Je austauschbarer sich Menschen im Job fühlen, je weniger wertgeschätzt als Person, desto größer die Angst und desto größer der allgemeine Zukunftspessimismus. Schnelle Maßnahmen in Krisensituationen könnten folglich selten schnell wirksam sein.
"Ich sehe ein seltsames Allmachtssyndrom der HR in der Rollenzuschreibung", wirft Georg Horacek aus dem Publikum ein. „Wir müssen schon sehr aufpassen, dass HR nicht zur Ersatzführungskraft wird, das geht in größeren Unternehmen ja rein quantitativ schon gar nicht." Das Podium stimmt zu. Die Beiträge der HR in ihrer - immer geforderten und lediglich teilweise zugestandene Rolle als Businesspartner - wurden aufgeworfen. Wieseneder sieht in diesem Zusammenhang "jetzt die Stunde der HR schlagen - und zwar über die Funktion als Feuerwehr". Es biete sich jetzt die Chance, es bestehe die dringende Notwendigkeit, jetzt Perspektiven zu vermitteln - auch in Trennungsgesprächen. Dass eine der großen Lernaufgaben in Unternehmen das Leben mit Paradoxien (etwa Aufbau und gleichzeitig Abbau) sei, blieb unwidersprochen.
"Nicht wegschauen im Sinne von übersehen", appelliert Rudas an den Umgang mit Angst und bemüht ein Bild aus der naturwissenschaftlichen Wirklichkeit: "Die Schwerkraft war auch schon da, bevor Newton sie beschrieb." (red, DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.4.2009)