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Michael Häupl, wie er sich gerne sieht: im Führerstand, flankiert von einer tüchtigen Frau. Der Bürgermeister pflegt die Linien vorzugeben, Finanzstadträtin Brauner muss sehen, wie sie das Geld dafür auftreibt.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Junge Leute an Stehtischen, gedämpftes Gemurmel, die Stimmung zwischen FM4-Party und Samstagvormittag am schicken Karmelitermarkt. Auf der Bühne versprüht das Moderatoren-Duo Stermann und Grissemann respektlosen Witz. Ein Abend im Museum Moderner Kunst in Wien zu Wochenbeginn: Es gilt, junge, kreative Kleinstunternehmer auszuzeichnen, und es wird viel gelacht. Am Rande der Bühne, unter den 600 Anwesenden eine der am lautesten Fröhlichen mit ihrem gutturalen Lacher: Renate Brauner, Vizebürgermeisterin von Wien. Die quirlige SPÖ-Politikerin im zinnoberroten Anzug ist als Geldgeberin eine Hauptperson, und sie fühlt sich wohl dabei. Sie überreicht Pokale, lässt sich mit den Ausgezeichneten fotografieren. 

Am Samstag gehört die Bühne einem anderen. Bürgermeister Michael Häupl wird die Genossen beim Landesparteitag der Wiener SPÖ in der Wiener Stadthalle nach dem Abgang Grete Laskas nicht nur auf sein neues Regierungsteam, sondern auch auf den Gratiskindergarten für alle Wiener Kinder einschwören, seine "größtmögliche Mittelstandsentlastung" . Und Brauner? Die kann sehen, wie sie das Geld auftreibt - bei krisenbedingt sinkenden Steuereinnahmen und einer Bundesregierung, die nicht daran denkt, den Wienern finanziell unter die Arme zu greifen.

Exponierte Position

Die 52-jährige Finanz- und Wirtschaftsstadträtin ist in einer mächtigen und exponierten Position. Ökonomin Brauner verteilt ein Elf-Milliarden-Budget, regiert über Wiens Arbeitnehmer- und Wirtschaftsförderungsfonds, und auch die Wien Holding mit 76 Unternehmen und der Energieversorger Stadtwerke, mit insgesamt 15.000 Jobs, fallen in ihren Bereich.

Als wäre das nicht genug Stress, hat ihr Häupl mit Michael Ludwig auch noch einen neuen Ko-Vizebürgermeister ins Rathaus gesetzt - und damit eine neue, möglicherweise unangenehme Konkurrenz im Rennen um die Nachfolge im Bürgermeisteramt.

Brauner wäre nicht Brauner, würde sie derartige Überlegungen nicht weglachen und streng Linientreues sagen. "Glücklich" sei die Wiener SPÖ, flötet sie, weil es "bei uns so viele großartige Leute gibt" . Ludwig sei "ein ganz Lieber und Tüchtiger" . Kritik an Häupl? Nicht die Bohne. "Ich hoffe, der Bürgermeister bleibt noch lange im Amt."

Man weiß seit Jahrzehnten, was man aneinander hat. Aus einer Jugendliebe wurde eine politische Lebensgemeinschaft. 1990 wurde sie Gemeinderätin, seit 1996 ist sie Mitglied der Landesregierung: Brauner war schon für Integration, Konsumentenschutz, Frauenfragen, Personal und Tierschutz zuständig, später für Gesundheit.

Brauner und Häupl lernten einander auf der Uni kennen. Sie habe damals fassungslos einen Aufmarsch der "Neuen Rechten" beobachtet, erzählt Brauner. Daraufhin sei sie "gleich zum VSStÖ marschiert" . Lang überlegt wird Brauner wohl nicht haben. Sie kommt aus einer sozialdemokratischen Familie, ihr Vater war Angestellter, die Mutter Krankenschwester, als "typisches Kreisky-Kind" habe sie als Erste in ihrer Familie studieren können. Neben Lebensgefährte Hubert Dimko ist die Partei für Einzelkind Brauner "die Familie" - und in einer solchen ist man eben loyal. Loblieder auf sozialdemokratische Politik kommen ihr fast schon automatisch über die Lippen, bei kritischen Fragen verschließt sie sich innerlich.

Freund-Feind-Schema

"Sie denkt in Freund-Feind-Schemata" , sagt der Arzt Werner Vogt. Er war Pflege-Ombudsmann, und die damalige Gesundheitsstadträtin Brauner habe von ihm verlangt, "dass ich öffentlich loben sollte, was die Stadt für die Pflegebedürftigen tut" . Das Verhältnis trübte sich ein - Pflegeombudsmann Vogt war bald Geschichte. Heute sagt er: "Sie verträgt keine Kritik." Sie sagt, Kritik sei wichtig - solange sie konstruktiv sei.

Eigentlich kann Brauner gut mit Menschen, ob es sich nun um bürgerliche Unternehmer, Arbeiterinnen bei GM oder Ultras auf der Tribüne ihrer geliebten Rapid handelt. Sie hat Talent für den richtigen Ton und die Worte, die alle hören wollen. Franz Schnabl, ehemaliger Spitzenpolizist, Stronach-Sicherheitsberater und Samariterbund-Obmann, hält sie für "eine der Besten" . Das verwundert nicht - Schnabl ist ein Freund. Solche sind auch in der Wiener SPÖ rar.

Denn die ist immer noch eine konservative Partei - und Brauner deklarierte Feministin. Auf Herrenwitze und Macho-Sprüche reagiert sie allergisch und zuweilen unvorsichtig. Zuletzt nahmen ihr einige übel, dass sie sich dafür einsetzte, die junge Tanja Wehsely zur Klubobfrau zu wählen. Der SPÖ-Klub verweigerte: Nicht nur, weil Wehsely jung ist - der Zusammenhalt der roten Frauen in dieser Frage hatte den Hautgout der "Familienzusammenführung" . Tanja ist die jüngere Schwester von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die wiederum als Brauner-Protegé gilt. "Sie hat in dieser Frage überzogen" , sagt ein Partei-Insider.

Michael Ludwig wiederum trauen einige in der Wiener SPÖ ähnliches politisches Geschick zu wie Werner Faymann, seinem Vorgänger als Wohnbaustadtrat. Unauffällig, aber engagiert und bei allen beliebt - vor allem bei der Kronen Zeitung. Aus Häupls Sicht war Ludwigs Ernennung zum zweiten Vizebürgermeister ein geschickter Schachzug. Wie Faymann hat der Neue das Zeug, Unzufriedene unter den Bezirkskaisern hinter sich zu versammeln und zu befrieden - etwa die latent rebellischen Favoritner. Oder die großen Bezirke nördlich der Donau, die lange vergeblich auf Stadtratsposten warteten - bis der Floridsdorfer Ludwig nachrückte. Allein diese Konstellation macht ihn zu Brauners innerparteilichem Rivalen.

Im Rathaus heißt es, wenn Brauner Bürgermeisterin werde, sei an eine rot-grüne Koalition nicht zu denken - die "rote Renate" werde eher hundertmal mit der ÖVP zusammengehen als einmal mit den Grünen, da sie diese als unberechenbares Konglomerat aus Bobos und abtrünnigen Linken ansehe. Brauner selbst bestreitet diesbezügliche Ressentiments: "Ich habe nur mit der FPÖ ein Problem - von dort kommen Aussagen, die ich nicht ertrage."

Sie wirkt ernster als noch vor einigen Jahren, auch angestrengter. "Die Renate" habe sich verändert, hört man auch in Rathaus-Kreisen. Von Funktion zu Funktion habe sie sich mehr Aufgaben und mehr Stress aufgehalst, da bleibe manches auf der Strecke. "Dass sie sich in der Vermögenssteuer-Debatte nicht gemeldet hat, ist eine Enttäuschung" , sagt ein Parteifreund. Für Grundsätzliches hat Brauner wohl im Moment keine Zeit: "Wir haben eine Menge zu tun." Daher sei es auch wichtig, "dass wir weiter die Mehrheit haben, damit wir gegensteuern können" .

Auf alle Fälle rot

Ein Wien nach Renate Brauners Geschmack muss rot regiert werden, das steht fest. Dass sie sich gut vorstellen kann, dass es von ihr rot regiert wird, ist wahrscheinlich. Sagen würde sie so etwas nie, Nachfolge-Debatten wehrt sie burschikos ab: "Sieht so eine Kronprinzessin aus?" , fragt Brauner und lacht. Es klingt kehlig - und ein bisschen bemüht. (Petra Stuiber/ DER STANDARD-Printausgabe, 25./26. April 2009)