Die Chefin der "Erste Bank Österreich", Elisabeth Bleyleben-Koren, hat in einem Interview mit dem Branchenblatt "Der Journalist" die Zunft gescholten: "Zuspitzen verschlimmert die Krise", sagte sie. Der Zeitungskonsument kauft sich am Tag der Schreckensmeldung (z. B. "Deutschland Minuswachstum von sechs Prozent" ) keinen neuen Fernseher oder Kühlschrank, meint sie.

Kann schon sein. In der Tat muss man die Relationen wahren. Dass Österreich vom deutschen Minuswachstum mitgerissen zu werden droht, ist logisch, aber selbst ein Rückgang um vier Prozent sähe uns immer noch auf einem ansehnlichen Wohlstandsniveau. Schlimmer wird es schon, wenn sich das Minuswachstum in Arbeitslosigkeit umsetzt, aber auch hier werden die sozialen Netze noch eine Weile halten. Aber die Mahnung an die Journalisten, nicht zu übertreiben, hat auch eine Kehrseite: In den USA und in Großbritannien läuft gerade die Diskussion, warum gerade die Finanzpresse die Krise nicht kommen gesehen hat bzw. warum sie die Praktiken, die Erfindung immer komplizierter Derivate nicht rechtzeitig warnend aufzeigte.

Ein Kolumnist der "Financial Times" gibt eine plausible, aber für die Zunft nicht besonders ruhmreiche Antwort: Die komplizierten Credit Default Swaps und Asset-backed Securities waren auch für die angelsächsische Qualitätspresse ein zu entlegenes Fachgebiet. Und wer sich darin auskannte, bekam vom Ressortchef oder Chefredakteur nicht genug Platz dafür, denn erstens widersprach Kritik der allgemeinen Zustimmung zum Turbokapitalismus und zweitens war das Zeug langweilig. Auch die Qualitätspresse hat "Quotendruck" , auch in der Qualitätspresse nimmt die Neigung ab, in erstklassigen Journalismus zu investieren.

In Österreich kommt eines dazu: Das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge ist hier besonders schlecht ausgebildet (als ich im Zuge der Lehrerdebatte darauf hinwies, dass es auch in der Industrie Einkommenseinbußen gäbe, schrieb mir einer zurück, die meisten Industrien brauche man eh nicht ...). Zugleich finden "We don't need no education" -Demos mit 60.000 Schülern statt.

Auf den Wirtschaftsseiten der Qualitätsmedien war einiges über überbewertete Portefeuilles von gewissen Immobilienfonds zu lesen. Externen Kritikern der Finanzblase wie dem Nobelpreisträger Joseph Stieglitz wurde (auch im STANDARD) Raum gegeben. Die "Lächeln in der Krise" -Themenausgabe des Standard vor ein paar Wochen stieß übrigens auf große Zustimmung.

Zuerst haben wir nicht massiv genug vor der Finanzblase gewarnt, jetzt betreiben wir angeblich Krisenhysterie. An diesen Vorwürfen ist etwas dran, aber - zumindest, was den österreichischen Schauplatz betrifft -, gibt es auch einen Gegenvorwurf: liebe Verleger, liebes Publikum, dann muss euch auch mehr an hochqualitativem Journalismus liegen und der kostet etwas.

Wir können nicht an der Tatsache, dass die jetzige Krise die schwerste seit 1945 ist, vorbeisehen und -schreiben. Wir können und müssen aber auch dazusagen, dass die Krise beherrschbar ist. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.4.2009)