Das Wort "Genozid" kam ihm nicht über die Lippen. In seiner Rede zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor 94 Jahren im Osmanischen Reich, verwendete US-Präsident Barack Obama den armenischen Begriff "Meds Yeghern", was man mit "Die große Tragödie" übersetzen kann. Obama umschiffte damit eine diplomatische Verstimmung mit der Türkei, die den Genozid ja nicht anerkennt. Viele Armenier, die sich darauf berufen, dass Obama im Wahlkampf versprochen hatte, den Völkermord offiziell zu benennen, sind nun enttäuscht. Enttäuscht tut aber auch die türkische Regierung.
Präsident Abdullah Gül meinte verschnupft, Politiker sollten nicht "Entscheidungen über historische Ereignisse treffen." Er selbst wollte dann aber offenbar doch entscheiden, wie andere über die türkische Vergangenheit zu urteilen haben. Denn Gül monierte, Obama habe nicht an die hunderttausenden damals getöteten Türken und Muslime erinnert. Man müsse aber das Leid von allen teilen.
Man kennt die "Ja, aber" -Argumentation aus anderen Debatten über Massaker und Verbrechen. Ein konkretes Leid wird mit anderem Leid aufgerechnet. Im Grunde dient diese Strategie nur dazu, dass das Verbrechen, um das es eigentlich geht, zumindest relativiert, in seiner Gesamtheit aber eigentlich geleugnet wird. Die Vertreibung und Ermordung hunderttausender Armenier zwischen 1915 und 1917 ist ein Faktum. Und der Versuch der türkischen Regierung, vor der Einsetzung einer gemeinsamen Historikerkommission diese Wahrheit infrage zu stellen, ist Propaganda. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2009)