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Jóhanna Sigurdardóttir

Foto: REUTERS/Bob Strong

Meine Zeit wird kommen!" Das rief Jóhanna Sigurdardóttir vor 15 Jahren mit hochgereckter Faust, als sie im Kampf um den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei Islands unterlag. Dann kehrte die damals schon lange Jahre dienende Ministerin ihrer Partei - vorübergehend - den Rücken und ging ihre eigenen Wege. Nun, nach dem Wahlsieg vom Wochenende, ist die Ära der 66-Jährigen in der Tat da. Sigurdardóttir ist unumstrittene und nun auch vom Volk gewählte Ministerpräsidentin des arg gebeutelten Inselstaates im Nordatlantik.

Ihr Amt trat sie bereits im Februar an, als ihr konservativer Vorgänger von erzürnten Bürgern davongejagt wurde. Schlagzeilen machte sie damals vor allem, weil sie sich als die erste Regierungschefin eines Staates offen zu ihrer Homosexualität bekannte. Sigurdardóttir, die ihre Landsleute "Heilige Jóhanna" nennen, verbat sich aber jeden Hype um ihre Person und jene ihrer Lebensgefährtin, der Dramatikerin und Schriftstellerin Jónína Leósdóttir.

No nonsense, no drama - das entspricht dem Stil der Politikerin mit dem schlohweißen Haarschopf, die sich stets "um das Leben der Leute da draußen" kümmern wollte. Das schätzen die IsländerInnen an ihr, genauso wie den Umstand, dass sie nicht zu den Seilschaften und Clans gehörte, die sich in den vergangenen Jahren die Geschäfte in Island untereinander aufgeteilt haben.

Obwohl auch ihr Vater Politiker war, begann sie ihre Karriere an einem gänzlich anderen Ort. Blutjung stieg sie als Flugbegleiterin ins Berufsleben ein. Auf einem Transatlantikflug lernte sie einen Banker kennen, heiratete ihn, bekam zwei Söhne (heute ist sie sechsfache Großmutter) - und ließ sich wieder scheiden, als sie nach ersten politischen Gehversuchen in der Gewerkschaft der FlugbegleiterInnen 1978 als Parlamentsabgeordnete endgültig in die Politik einstieg. Dort ging es Sigurdardóttir vor allem um soziale Gerechtigkeit für die 320.000 IsländerInnen. Von 1987 bis 1994 bekleidete sie das Amt der Sozialministerin.

Die nächste Herausforderung für Sigurdardóttir wird es sein, ihren skeptischen Landsleuten - und den linksgrünen Koalitionspartnern - nun die Europäische Union als rettenden Hafen für ihr mittelloses Land zu präsentieren, wo die EU doch vielen ebenfalls als Hort des Neoliberalismus gilt. Dass ihr das gelingt, daran zweifelt auf Island kaum einer. "Wir müssen jetzt konzentriert und hart arbeiten", sagt sie selbst emotionslos wie stets. Will heißen: Widerspruch ist ausgeschlossen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Print, 27.4.2009)