Türkische Ermittler haben in den vergangenen drei Jahren nach ihren Angaben etwa 70.000 Telefonanschlüsse abgehört. In knapp 13.000 Fällen seien inzwischen alle Daten gelöscht worden, weil die Überwachung keine Hinweise auf kriminelle Tätigkeiten gebracht hätten, zitierte die Tageszeitung "Radikal" am Montag Justizminister Mehmet Ali Sahin. Die Zahl der überwachten Anschlüsse sei erstmals veröffentlicht worden. Sahin hatte damit auf Berichte reagiert, wonach insgesamt "70 Millionen" Telefone abgehört werden. In der Türkei leben etwa 70,5 Millionen Menschen.

Die türkischen Behörden haben bei ihrem Vorgehen gegen das ultranationalistische Netzwerk "Ergenekon" mehr als 200 Personen festgenommen, darunter Ex-Generäle, weitere Offiziere und Polizisten, Intellektuelle und Journalisten. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verdächtigt Ergenekon, mit Gewaltakten einen Militärputsch provozieren zu wollen. Auf der Todesliste der Organisation sollen unter anderen Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk und der in Istanbul residierende Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. stehen. Kritiker halten der konservativ-islamischen Regierung vor, sie versuche auf diese Weise, die für eine säkulare Gesellschaftsordnung eintretenden Kräfte mundtot zu machen. Generalstabschef Ilker Basbug hatte von einer Verleumdungskampagne islamistischer Gruppen gesprochen, welche versuchten, die Streitkräfte als antireligiös und antidemokratisch darzustellen. (APA/dpa)