Netbook-Kaiser Asus erwächst inzwischen von fast allen Herstellern Konkurrenz, unter anderem von Dell (li. u.) und Lenovo (r. o.).

Foto: Hersteller, Montage: STANDARD/Friesenbichler

Im Abstand einiger Jahre verkündet die PC-Industrie gerne eine neue Revolution. Diesmal hat der Markt die Revolution hervorgebracht, von einer Reihe von Drahtziehern hinter den Kulissen angestachelt. Im Herbst 2007 brachte Asus, der bis dahin nur Insidern bekannte taiwanische Hersteller, den Eee PC auf den Markt: Sah aus wie ein Kinderspielzeug, hatte lächerliche Leistungsdaten (schwacher Prozessor, keine Festplatte), mickrig kleines Display und Linux als Betriebssystem, was Marga und Otto Normalverbraucher von vornherein vom Kauf hätte abschrecken sollen.

Gedacht war er für Schwellenländer, aber 300 Euro Preis und Handtaschengröße erwiesen sich auch in Industrieländern als unwiderstehliches Angebot. Eine neue Gerätekategorie war aus der überraschend starken Nachfrage geboren, Intel rührte unter der Bezeichnung Netbooks die Werbetrommel, um seine neuen Atom-Prozessoren (deren Leistung älteren Chips entsprach, bei weniger Stromverbrauch) anzubieten.

Der Nachfrage folgen

Die Vorsicht anderer Hersteller, die sich das profitable Notebookgeschäft nicht ruinieren wollten, hielt den Käuferwünschen nicht stand, inzwischen sind fast alle namhaften Hersteller Asus gefolgt - mit Ausnahme von Apple, das für Netbooks bisher nur Verachtung versprühte. Netbook-Kaiser Asus, der mit dem anderen Taiwaner Acer den Markt dominiert, hat seine anfangs belächelte Eee-Linie ("Easy to Learn, Easy to Work, Easy to Play") bis zu Standgeräten mit Touchscreen ausgebaut. Auch Microsoft musste nachgeben: Für Windows Vista aufgrund der schwachen Leistung ungeeignet, läuft auf über 90 Prozent der Netbooks inzwischen Windows XP - dessen Lebenszyklus offiziell schon vor einem Jahr auslief.

Eineinhalb Jahre später glaubt die Industrie aufgrund des bisherigen Verkaufs zu wissen: Netbooks verdrängen teurere Notebooks nicht, sondern sind ein Zusatzgeschäft, sagen Marktforscher GfK und Prozessorhersteller Intel unisono. Aus dem Stand heraus schafften die Minis (zwischen Intel und dem britischen Spezialhersteller Psion Teklogix gibt es einen Streit um die Namensrechte, darum bevorzugen Hersteller wie Toshiba den Ausdruck Mini-Notebooks) einen Anteil von rund 13 Prozent am mobilen Gesamtmarkt.

Im Vorjahr, sagt GfK-Marktforscher Pascal Bollon, haben im mobilen PC-Bereich zwei Kategorien gewonnen: ganz Kleine und ganz Große. Auch die Wirtschaftskrise scheint diese Dynamik nicht zu stoppen: Im ersten Quartal 2009 legten Netbooks über tausend Prozent zu (von entsprechend niedriger Basis aus), Geräte mit 16-Zoll-Displays und größer (als vollwertiger Desktopersatz) als 67 Prozent - alles dazwischen stagnierte. "Vor 20 Jahren kaufte man einen PC, um Budgets zu erstellen und ein bisschen zu spielen, vor zehn Jahren wollte man das Internet erkunden, heute kauft man PCs für mobile Anwendungen", interpretiert Bollon: mobile Transaktionen, Netzwerken, Navigation oder Wissenserwerb. "Netbooks sind kein Gadget, sondern ein durch mobilen Gebrauch definiertes Segment", eine "persönliche Infrastruktur".

Eine von Toshiba beauftragte Studie über die Nutzungsgewohnheiten von Netbook-Käufern bestätigt diese Einschätzung: "E-Mail, Internet, Basic Work" werden am häufigsten genannt, mit etwas Abstand gefolgt von "Fotos, Musik, Videos". Noch überwiegt private Nutzung (60 Prozent) vor gemischt privat-beruflicher (37,7 Prozent), nur ein paar Prozent bleiben für reinen Businessgebrauch.

Aber damit ist die Entwicklung erst am Anfang: Unter Kostendruck stehende Unternehmen werden zunehmendes Interesse an Minis finden - was wiederum Preisdruck auf "richtige" Notebooks ausübt. Zwei Entwicklungen schieben an: Cloud-Computing, die Möglichkeit, Anwendungen über Internet statt am PC zu nutzen - womit das mitgeführte Notebook nicht mehr so leistungsfähig sein muss. Und die Bündelangebote der Mobilfunker von Netbook und mobiler Datenkarte: Null- und Ein-Euro-Netbooks sind so gängig wie subventionierte Handys.

Die Ausstattung der Kleinen nimmt rasant zu: Guter Standard sind derzeit Zehn-Zoll-Display (Samsung bietet bereits zwölf Zoll), Wi-Fi für drahtlose Hotspots, integrierter Mobilfunk statt USB-Datenmodem, Festplatte, bis zu neun Stunden Laufzeit mit Spezial-Akkus. Einzelne Modelle bieten auch GPS zur Navigation. Die Preispalette liegt zwischen 300 und 600 Euro.

Das rasch wiederhergestellte Intel-Microsoft-Duopol (Atom und Win XP) wird weiter unter Druck geraten: Bei einer Telekombranchenmesse in Las Vegas Ende Jänner zeigte sich das große Interesse der Hersteller von Handychips an dem neuen Segment; Qualcomm, ARM, Samsung und Freescale zeigten Prototypen. Weil diese Geräte nicht mit Windows, sondern nur mit Linux laufen, kommt dabei ein anderer Player prominent ins Spiel: Google und dessen Android-Handybetriebssystem. Dies soll auch Netbook-fähig werden, bis zum Sommer sollen erste Geräte auf den Markt kommen. (Helmut Spudich/DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2009)