Wien - In den beiden bevölkerungs- und arbeitnehmerstarken Bundesländern Wien und Niederösterreich sind ab kommender Woche die Beschäftigten zur Wahl der Kammerräte aufgerufen - und sie haben mehr Auswahl denn je.
Die 645.151 wahlberechtigten Mitglieder der Arbeiterkammer Wien (AK) können zwischen zwölf verschiedenen Listen wählen - das sind vier mehr als bei der Wahl des Jahres 2004. Diese hat die sozialdemokratische Liste von Herbert Tumpel gewonnen - Tumpel wurde gewohnheitsgemäß auch zum Präsidenten des österreichischen Arbeiterkammertages gewählt. Das hat damit zu tun, dass die Wiener Arbeiterkammer - wegen ihres Standorts in der Nähe anderer Bundeseinrichtungen - auch die bundesweiten Lobbyingfunktionen in der Sozialpartnerschaft erfüllt.
Tumpels FSG erreichte vor fünf Jahren 69,29 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Fraktion war im Jahr 2004 die Liste ÖAAB - Christliche Gewerkschafter (ÖAAB) mit 14,44 Prozent bzw. 26 Mandaten, gefolgt von den Grünen Gewerkschaftern AUGE (5,63 Prozent und zehn Mandate) und den Freiheitlichen Arbeitnehmern (4,42 Prozent und sieben Mandate). Die Wahlbeteiligung betrug bei der letzten Wahl in Wien 46,8 Prozent.
Die Freiheitlichen haben am Dienstag schwere Vorwürfe gegen Tumpel erhoben - die 90 Millionen Euro, die jährlich durch "Zwangsbeiträge" der Arbeitnehmer lukriert würden, "sind keine Subvention für die SPÖ" , sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Die SPÖ aber missbrauche die Kammer als ihre "Kaderschmiede" . Die FPÖ drängt darauf, die Kammerumlage zu senken - dann aber könnte die Kammer nicht mehr so viel Service bieten, lautet das sozialdemokratische Gegenargument.
Die christlichen Gewerkschafter, die erstmals unter Führung der ÖAAB-Nationalratsabgeordneten Gabriele Tamandl antreten, werfen Tumpel vor allem vor, die Belastungspolitik der SPÖ zu prägen.
"Die Vermögenssteuer wirkt gegen den Aufbau von Vermögen, und somit gegen die Bildung von vernünftigen Lebensgrundlagen. In Österreich fördern wir seit Jahrzehnten mit unglaublichen Mitteln die Schaffung von Eigenheimen und jetzt sollen wir das besteuern und abstrafen?" , fragt Tamandl.
Bei den bisherigen Wahlgängen - sechs Bundesländer haben schon gewählt, Kärnten schließt am Donnerstag ab - hat die ÖAAB-FCG-Fraktion insgesamt zulegen können, in Tirol und Vorarlberg stellt sie den Präsidenten.
In Niederösterreich haben es Grün-Wähler bei der AK-Wahl schwer. Neben den Alternativen und Grünen Gewerkschaftern (AUGE) treten heuer erstmals auch eigene grüne Gewerkschafter an - eine Neugründung, die vor allem Grünen-Landesgeschäftsführer Thomas Huber betrieben hat.
Viele grüne Listen
Ziel sei es gewesen, als Grüne anzutreten, erklärt er diesen Schritt, und er ist "zuversichtlich, dass wir ein gutes Ergebnis einfahren" . Das sehen längst nicht alle so: "Diese Trennung hätte man sich sparen können" , formuliert es Brigid Weinzinger, frühere Grünen-Nationalratsabgeordnete noch höflich. Sozialsprecher Karl Öllinger wird da deutlicher. "Das ist überflüssig, borniert und schädlich" , ärgert sich Öllinger, der selbst aus der AUGE kommt. Justizsprecher Albert Steinhauser sieht eine "grüne FSG oder grünen ÖAAB" : "Eine Parteigewerkschaft halte ich nicht für sinnvoll" , sagt er. Warum die "Kräfte gesplittet werden, ist überhaupt nicht erklärbar" . (Peter Mayr, Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 29. April 2009)