
Die neue Kommandobrücke der Enterprise, gerade im Dienst (v. li.): Kirk (Chris Pine), McCoy (Karl Urban) und Spock (Zachary Quinto).
Mit Karl Urban und John Cho sprach Dominik Kamalzadeh.
Macht man sich heutzutage daran, eine populäre Fernsehserie aus der Steinzeit der TV-Geschichte wieder zurück in die Gegenwart zu versetzen, dann nennen das Brancheninsider "to reboot the franchise" - in seiner Verquickung von Computer- und Wirtschaftsbegriffen sagt das bereits einiges über ein solches Unterfangen aus. Das gesamte Geschäftskonzept soll den Marktbedingungen eines neuen Zeitalters angepasst werden: eine Generalüberholung, die gleichwohl mit so viel Feinsinn umgesetzt sein will, dass der Geist der Vorlage nicht verlorengeht.
Im Falle von "Star Trek" - oder wie wir die Serie alle noch als Kinder nannten: "Raumschiff Enterprise" - ist die Gefahr, dieses Ziel zu verfehlen, besonders groß. Mit dementsprechend großem Geheimhaltungsgetue hat sich Paramount gemeinsam mit Regisseur J. J. Abrams - verantwortlich für TV-Erfolgsserien wie "Lost" und "Alias", aber selbst kein großer Trekkie - an das "Reboot" der allerersten Besatzung gemacht: Captain James T. Kirk, Spock, "Pille" McCoy, Scottie, Uhura, Sulu und Checkov - all jene Figuren, die sich längst in unsere Erinnerung eingebrannt haben (und die wohl wie keine ihrer Nachfolger mit den jeweiligen Darstellern verbunden sind), wurden neu besetzt, mit jungen, noch wenig bekannten Gesichtern. Allein Leonard Nimoy gibt von den Alten einen Gastauftritt.
Einer der Erfahreneren ist der Australier Karl Urban, der schon in zwei Teilen von Peter Jacksons "Herr der Ringe" mitwirkte und zuletzt in "The Bourne Supremacy" als Killer Kirill Matt Damon das Leben schwer machte. In "Star Trek" spielt Urban eine verjüngte Variante Dr. McCoys, des Arztes auf Deck und guten Freunds Kirks, der zum Glück nichts von seiner Launenhaftigkeit und leichten Reizbarkeit einbüßt. Im Original nennt man ihn übrigens "Bones" und nicht "Pille".
"Ich hatte eigentlich keine Lieblingsfigur und würde mich auch gar nicht als klassischen Trekkie bezeichnen", erzählt Urban im Interview. "Ich bin auch nie kostümiert aufgetreten - so wie es eingefleischte Fans bis heute tun. Für mich war das Triumvirat aus Kirk, Spock und McCoy das eigentliche Zentrum der Serie. 'Star Trek' ist vor allem ein Kult um Persönlichkeiten. Man will den jähzornigen McCoy mit dem allzu logischen Spock streiten sehen, man will Kirk dabei erleben, wie er eine Entscheidung fällt. Das macht den eigentlichen Charme der Serie aus."
Urban spricht den zentralen Punkt jeder Neubearbeitung an: die Glaubwürdigkeit der Figuren. All das technische Beiwerk und aufwändige Redesign der Serie wären umsonst, wenn die Neodarsteller sich nicht so weit innerhalb der Möglichkeiten ihrer Vorbilder bewegen, dass man sich in ihnen wiederfinden kann. Wiewohl Abrams und seine Autoren durchaus einige Anpassungen vornehmen. Kirk (Chris Pine) etwa erscheint als rebellischer Draufgänger, der durch seinen Übermut fast seine Karriere aufs Spiel setzt - und sich gerade mit Spock (Zachary Quinto) einen Kampf um das Kommando über die Enterprise liefert.
"Natürlich gehören zu 'Star Trek' auch die Phaser, das Beamen, die engen Overalls, und es fühlt sich ganz eigenwillig an, wenn man eines der Instrumente in der Hand hält", sagt Urban. "Aber für mich ist Style nicht unbedingt das Wesentliche. Man muss der Dynamik des Originals treu bleiben. Wobei wir bei aller Werktreue nicht daran interessiert waren, eine bloße Nachahmung zu inszenieren." Der Film erschafft so auch mehr ein Paralleluniversum - ein kluger, erzählerischer Kniff, der mit einem Schwarzen Loch zusammenhängt -, in dem sich alte Fans wiederfinden können und neue durch eine zeitgenössischere Ästhetik nicht verschreckt werden.
John Cho, der die neue Version von Hikaru Sulu verkörpert, hat dennoch den ursprünglichen Darsteller George Takei ausgesucht: "Takei ist schließlich eine Legende. Ich habe ihn schon als kleiner Bub bewundert, er war einer der wenigen Asian-Americans, die es im Fernsehbereich zu Ruhm gebracht haben, ein echtes Rollenmodell." Seinen Sulu habe er jedoch ein wenig jungenhafter, unsouveräner als sein Vorbild angelegt. Beim ersten Einsatz der neuen Enterprise vergisst er auf eine wichtige Voreinstellung - mit dem Effekt, dass das Schiff nicht recht vom Fleck kommt.
Was am neuen Star Trek am vehementesten vom Original abweicht, ist die druckvolle Inszenierung der Actionabläufe. In frenetischem Szenenwechsel steht die Enterprise im Duell mit dem rachsüchtigen Romulaner Nero (Eric Bana), der ganze Planeten der Föderation auslöschen will, vor einer besonderen Herausforderung. Das höhere Tempo und Maß an Realismus - mancher wird bestimmt den Retro-Settings aus den 60er-Jahren nachweinen - harmoniert erstaunlich gut mit dem Ensemblespiel. Vor allem Cho zeigt sich begeistert von Abrams' Inszenierungsstil: "Ich habe das noch in keinem anderen Dreh gesehen: einen Regisseur, der stets mehrere Kameras auf einmal im Blick hat, nie die Übersicht verliert. Manchmal hat er einer im Vorbeigehen einen Stoß verpasst, damit das Bild unruhiger wird."
Die Philosophie der Völkerverständigung, von jeher eines der Charakteristika der Serie, erscheint im gegenwärtigen Amerika zeitgemäßer denn je: "Haben Sie schon gehört? Wir haben einen neuen Präsidenten! Er ist Afroamerikaner. Daran mag man sehen, wie sehr die Serie ihrer Zeit voraus war", meint Cho. Urban pflichtet bei: "Wir haben das 'Star Trek'-Universum ernst genommen - das sind wir den Fans schuldig, die die Serie über die vergangenen 50 Jahre hinweg lebendig gehalten haben."
Am Set habe man eine verschworene Gemeinschaft gebildet - was auch daran lag, dass nichts an die Öffentlichkeit dringen durfte. Urban: "Wir hatten viel Spaß - was allerdings nicht bedeutet, dass wir zu der Serie auf komische Distanz gegangen wären. Aber natürlich kennen wir die 'Star Trek'-Parodie aus 'Galaxy Quest'." (DER STANDARD, Printausgabe, 30.4.2009)