Foto: Christian Fischer, Der Standard

Wie sagte schon Sinowatz: "Ohne Partei bin ich nichts." Die Parteizentrale hält sich an diese Weisheit - und versendet Fragebögen.

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"Doping? Nein danke!", trägt Hobby-Läufer und SP-Wähler Fürlinger am Sakko. Zur Vermögenssteuer sagt er aber: Ja bitte!

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"Wenn Sie an die Politik in Österreich denken: Bewegen sich die Dinge in die richtige Richtung? Oder in die falsche?" Solche Fragen stellt die SPÖ derzeit dem Wahlvolk. Man will den Menschen auf den Zahn fühlen. Das kann weh tun.

"Was bewegt Österreich": Im März startete die SPÖ eine Umfrage, federführend Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas und Landeshauptmann Hans Niessl. Die Sozialdemokratie will sich der Sorgen der Menschen annehmen. Hat man irgendwie schon mal gehört, und also sprach der Burgenländer Niessl mit ernster Miene auf YouTube, "das ist gelebte Bürgernähe, das sind keine Lippenbekenntnisse", während er Fragebögen im Volk verteilte.

Basis stellt Fragen

Krawatten, Schals, natürlich Nelken: In kräftigem Rot präsentiert sich Wochen später die SPÖ am Wiener Parteitag. Dort tummeln sich die Stammwähler. An sie alle hatte die Parteizentrale Bögen mit zehn Fragen gesandt, die die Basis ihrem Bekanntenkreis stellen sollte. Auch an Johann Fürlinger, Sozialdemokrat, Versicherungsmakler und nicht ganz zufrieden.

"Die Dinge bewegen sich in schon in die richtige Richtung", sagt der 50-Jährige, mit dem Fragebogen konfrontiert. Aber: "Vor 14 Tagen hätte ich's noch anders gesagt." Er meint die Vermögensbesteuerung, die Bundeskanzler Werner Faymann nach einigem Zögern diskutiert. Ohne dieses Zeichen könne man keine linke Politik mehr machen, sagt Fürlinger. "Arbeitsplätze versprechen ist zu wenig."

Frage zwei, die nach dem wichtigsten Thema für Österreich, beantwortet der studierte Mathematiker mit Migration, auch wenn das viele Funktionäre anders sähen. "Es gibt auch ein paar Rassisten in der Partei", sagt er. Bei der Frage, ob er sich von der Krise persönlich betroffen fühle, zieht Fürlinger seine buschigen Augenbrauen hoch. "Ja, sicher. So wie eh jeder."

"Banken sind Gauner"

Im Herbst gründete er einen Fonds für muslimische Sparer, um über die Runden zu kommen. Als selbstständiger Finanzberater, sagt er offen, hätte er von Oktober bis Februar nicht genug Geld verdient. Denn: Seine Kunden hätten sich Wohnungen und andere Investitionen schlicht nicht mehr leisten können. Wer früher eine Immobilie um 300.000 Euro kaufen wollte, habe fast 100 Prozent von der Bank vorgestreckt bekommen. Jetzt müsse man "100.000 Euro selbst bringen. Die Banken sind ganz einfach Gauner", klagt Fürlinger. Das Bankenpaket ärgert ihn heute noch, "mit den Banken" sei die Regierung "zu lasch und zu gutmütig".

Fürlinger sieht, obwohl treuer Wähler, nicht alles in der SPÖ rosarot. Die Große Koalition hält er trotzdem für die beste Regierungsform. "Es wird viel geschimpft über die Partei", räumt er ein, "aber es gibt keine Alternative. Ich glaub', das ist bei uns die vorherrschende Meinung." Ob die SPÖ mit so viel Ehrlichkeit gerechnet hat?

Geschäftsführerin Rudas ist auf Anfrage von derStandard.at jedenfalls "sehr zufrieden". Das Feedback sei positiv und zahlreich. Genaues über Beteiligung und Stimmung wolle sie aber noch nicht sagen. Die SPÖ sei gerade am Auswerten und überlege noch einen geeigneten Rahmen zur Präsentation. "Wahrscheinlich nach der EU-Wahl", sagt Rudas, da man die Kampagne nicht stören wolle. Viele Mitglieder seien mit dem Fragebogen zu Freunden gegangen, manche hätten ihn auch selbst ausgefüllt.

"Das ist ein Larifari"

Fürlinger tat das erst mit derStandard.at. "Ich hatte damals wenig Zeit", erklärt er. Auch sonst gibt sich die Basis gelegentlich kratzbürstig. "Ich füll' das nicht aus", sagt ein älterer Funktionär aus Favoriten, "ich bespreche das noch selbst in der Sektion." Eine Parteifreundin sagt: "Das ist ein Larifari, das ist nicht meins, dass ich eine Umfrage mache." Die Wünsche der bewegten Basis in der Stadthalle sind weit gespannt: Der eine schwärmt von der Vermögenssteuer, ein anderer wünscht sich nur, "dass die Politiker nicht immer ins Sacher frühstücken gehen, sondern vielleicht auch einmal in ein Vorstadtbeisl".

Servas, Kanzler!

Fürlinger selbst sieht die Partei mittlerweile "freundlich distanziert". Nachdem er sich 20 Jahre in der Bezirkspartei Hernals engagiert hatte, zog er sich wegen persönlicher Reibereien dort zurück. Die letzte Frage der SPÖ: "Stellen Sie sich bitte vor, es klopft, und Werner Faymann steht vor der Tür. Was würden Sie ihm sagen?" Fürlinger überlegt kurz. "Na, ich würd' ihm einfach Servas sagen." (Lukas Kapeller, derStandard.at, 29.4.2009)