Fundraising muss einem nicht in die Wiege gelegt werden: "Jeder kann lernen, auf fremde Menschen zuzugehen".

Foto: Talk2move

"Hast du ein Herz für Tiere?", "Ist Ihnen Umweltschutz wichtig?" - Wo rund 80 Prozent der so oder ähnlich angesprochenen Passanten Fersengeld geben, beginnt für Dialoger bzw. Fundraiser die Herausforderung. Ab 17 Jahren kann man sich für GLOBAL 2000, Greenpeace, Amnesty International, Vier Pfoten und andere NGOs und NPOs stark machen. 

"Ich könnte keine Staubsauger verkaufen"

Max Jakob hat seine Karriere als Dialoger noch früher begonnen - im zarten Alter von 16. Heute ist er Teamleiter der Fundraising-Agentur face2face und steht gemeinsam mit Gleichgesinnten drei, vier Tage wöchentlich für GLOBAL 2000 auf der Straße. Dass es sich beim Fundraising um "abwechslungsreiche Arbeit mit Sinn und einem hohen Spaß-Faktor" handelt, ist für Max essenziell: "Ich könnte keine Staubsauger verkaufen" meint der erfahrene Dialoger und BOKU-Student des Umwelt- und Bioressourcenmanagement. Kommunikationsfreudigkeit, soziales Engagement und Ehrgeiz sieht Max als Voraussetzungen, um als Dialoger zu arbeiten.

"Werben kann prinzipiell jeder, der den Willen dazu hat. Die Selbstsicherheit kommt mit der Zeit." Dem schließen sich Stefanie Aichinger und Aaron Walzer von der Fundraising-Agentur talk2move an, die im Rahmen von "4 Städtekampagnen" Infostand- und door2door-Kampagnen für Amnesty International, WWF, CARE oder Vier Pfoten organisiert. Die Kampagnen- und Infostand-Leiterin und der Sonderteamleiter setzen "den Willen, sich für die Sache einzusetzen und ein relativ gutes Selbstvertrauen" voraus. Und was die Schwellenangst betrifft? "Jeder kann lernen, auf fremde Menschen zuzugehen. So hat sich eine junge Frau gerade aufgrund ihrer Schüchternheit bei uns beworben."

Gutes Geld und Ideologie

Zwischen 70 und 120 Euro verdient ein durchschnittlich erfolgreicher Dialoger am Tag, wobei jeder geworbene Förderer honoriert wird. Ein Grundentgelt von 30 bis 35 Euro ist jedem Dialoger sicher. Der gute Verdienst bei flexibler Zeiteinteilung ist gerechtfertigt, denn die Organisation lebt von ihren Förderern. "Je mehr Menschen fördern, um so gewichtiger wird unsere Arbeit", weiß Bernhard Csengel, der nach der Matura als Fundraiser bei GLOBAL 2000 begann. "Fundraiser repräsentieren die Organisation. Sie sind Profis in Kommunikations- und Gesprächsführung, in der Definition und Umsetzung von Zielen und nicht zuletzt im Bewältigen von Extremsituationen."

Street-Promotion macht Spaß und ist dennoch ein Knochenjob. "Man muss über den eigenen Schatten springen und auf wildfremde Menschen zugehen", berichtet Bernhard von Arbeitstagen im Schneesturm am Reumannplatz, vom Trotzen gegen Kälte, Müdigkeit und negative Reaktionen. "Die Bezahlung reicht als Motivation nicht aus".

Teamleiter mit 20

Als "Presse-Zivi" ist Bernhard ins GLOBAL 2000 Kommunikations- und Presseteam hinein gewachsen. Zugleich engagierte er sich im Pestizidreduktionsprogramm (PRP). "Das war mir aber immer noch zu wenig, weshalb ich gemeinsam mit der PR-Abteilung das Umweltkulturpraktikum initiiert habe." Dabei können junge Menschen Job-Erfahrungen sammeln, etwa in der Organisation von Umweltkulturevents. Da Bernhards Vision mittlerweile "ein Selbstläufer" geworden ist, widmet er sich heute der Organisation von Infotischen und der Betreuung von Freiwilligen. Dass der Student der Kultur- und Sozialanthropologie nach dem Zivildienst fix ins GLOBAL 2000-Team geholt wurde, zeugt vom Förderwillen der Agenturen und NGOs/NPOs für ihre engagierten Fundraiser. So führt die Karriereleiter bei talk2move vom Fundraiser zum Teamleiter zum Sonderteamleiter zum Coach bis zum Städtekampagnenleiter.

Seminare bilden die "Karrieristen" weiter. Bis in die Führungsetage hat nahezu jeder Agentur-Mitarbeiter selbst als Dialoger auf der Straße begonnen. In kaum einer anderen Branche erhalten bereits 20-jährige die Chance, Teams mit fünf bis sechs Personen zu führen. Und angesichts des niedrigen Durchschnittsalters in der Agentur wird Aaron, der beinahe alle Sprossen bei talk2move erklommen hat, als 27-Jähriger auch schon einmal mit "Papa" angesprochen.

Gute Tage, schlechte Tage

Eine Städtekampagne beginnt, je nach Agentur, um 9.00 bzw. 9.30 Uhr mit einem Frühstück im Büro. Nach der Standplatzeinteilung begibt sich das Team an den "Hot Spot". Rund eineinhalb Stunden frei einteilbare Pausen sind bis zum Ende des Arbeitstages um 19.30 bzw. 20.00 Uhr vorgesehen. Danach klingt der Abend auf den Agentur-Sofas aus. Und wenn man keine Förderer gewinnen kann? "Kein Problem", meinen alle Befragten: "Wenn man ein paar schlechte Tage hat, wird man nicht gleich rausgeworfen." Dann helfen persönliche Gespräche mit Teamleitern und Coaches aus der Krise heraus. Reaktionen von Passanten wie "ich hab keine Zeit" tun nicht weh, aber manchmal bekommen die Fundraiser auch Aggressionen zu spüren - etwa bei einer Amnesty-Kampagne nahe einer FPÖ-Kundgebung. Das hindert Aaron nicht daran, auch nach sieben Jahren am Infostand zu werben: "Es macht Spaß und ich bin ein glühender Amnesty-Verehrer - Je länger ich dabei bin und die langfristigen Entwicklungen miterleben darf, um so mehr."

Bewerbung über Agenturen

Menschen ab 17 können sich bei Agenturen wie face2face oder talk2move bewerben, die für die NGO- und NPO-Dialoger zuständig sind. "Fundraising ist ein idealer Job für jeden, der sich mit Umweltschutz, Menschen- und Tierrechte identifizieren kann", darin sind sich alle Befragten einig. Die Vorselektion der Bewerber erfolgt am Telefon, wobei eine Grundvoraussetzung gute Gesprächsführung in Deutsch ist. Nach einem persönlichen Bewerbungsgespräch steht eine Einschulung von vier bis sechs Stunden am Beginn der Fundraiser-Karriere. Danach wird ein freier Dienstvertrag abgeschlossen. Aber zu Allererst sollte man auf Aaron hören: "Im Herzen muss man schon den Aktivisten drin haben, sonst ist man als Zettelverteiler besser dran".
 (Eva Tinsobin, derStandard.at, 29.4.2009)