Frau N. ist Pharmaziestudentin und sie ist im Studium gut unterwegs. In einem Semester weniger als vorgesehen gräbt sie sich durch Formelhefte, Lehrbücher und Laborbefunde - nach 11 Semestern beendet sie ihr Studium erfolgreich, 12 wären die Regelstudiendauer. Der Lohn der überdurchschnittlichen Leistung: N. verlor etwa in der Halbzeit ihres Studiums die Familienbeihilfe. Wie das möglich ist? Sie hatte Prüfungen aus dem dritten Abschnitt in den zweiten vorgezogen und damit die vorgesehene Dauer des zweiten Abschnitts leicht überschritten. Die Folge: Keine Familienbeihilfe mehr - so will es das Gesetz.

Schnelle Studenten verlieren Familienbeihilfe

Der Fall von Frau N. ist einer von vielen, die die Volksanwaltschaft gesammelt hat. Kernaussage der Prüfergebnisse, die derStandard.at exklusiv vorliegen: Wer schnell studiert, sich aber nicht ganz an die bürokratischen Vorgaben hält, wird mit finanziellen Nachteilen wie dem Entzug der Familienbeihilfe "bestraft".

"Regelmäßig wenden sich Studierende an die Volksanwaltschaft, weil sie nicht verstehen, dass sie trotz erfolgreichen und raschen Studiums ihre Familienbeihilfe verloren haben", berichtet Volksanwalt Peter Kostelka im Gespräch mit derStandard.at.

Doppelstudium und Pflichtpraktikum als Falle

Dabei führt nicht nur ein zügiges Studium, bei dem aber in einem Abschnitt "überzogen" wird, zum Verlust der Beihilfe. Auch Studierende eines Doppelstudiums verlieren trotz raschen Studiums oft die Familienbeihilfe. Wer während des Studiums heiratet, hat keinen Unterhaltsanspruch mehr gegenüber den Eltern - wie ein von der Volksanwaltschaft dokumentierter Fall zeigt, wird deren Einkommen aber dennoch weiter zur Berechnung der Studienbeihilfe herangezogen. Ein doppelter Verlust: In dem betreffenden Fall sind Familien- und Studienbeihilfe weg.

Auch für Studierende, die auf einen (Pflicht)-Praktikumsplatz länger als ein Semester warten müssen - in einigen Studienrichtungen keine Seltenheit - bedeutet die Verzögerung oft finanzielle Einbußen. Laut Erlass des Wissenschaftsministeriums ist nur eine Wartezeit von einem Semester „vorgesehen", danach geht die Beihilfe verloren.

70 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft

In den letzten drei Jahren seien generell mehr Beschwerden zur Familienbeihilfe bei der Volksanwaltschaft eingegangen, berichtet Kostelka. Im Jahr 2008 waren es 70 Beschwerden. Davon kamen 12 von Studierenden beziehungsweise deren Eltern.

Können die Probleme im Vollzug der Beihilfenverordnungen durch kleine Änderungen im Gesetz gelöst werden, oder müsste das System von Grund auf reformiert werden?

„Das zuständige Bundesministerium versucht bereits jetzt, mittels Richtlinien zur Vollziehung kleinere Probleme zu beheben", meint Kostelka. „Die Fälle vor der Volksanwaltschaft zeigen aber, dass dies oft nicht gelingt."
Die Absicht des Gesetzgebers, mit der Familienbeihilfe Studierende zu unterstützen, die ihr Studium zielgerichtet und rasch absolvieren, werde von der Volksanwaltschaft natürlich unterstützt. „Aber flexibles Studienrecht und starres Familienbeihilfenrecht - das kann nicht zusammen gehen", warnt Kostelka.

"Grundsätzliche Reformdebatte"

Hier brauche es „grundlegende Änderungen und eine grundsätzliche Reformdebatte".
Langfristig, so Kostelka, solle überlegt werden, ob nicht die Einräumung eines generellen Zeitrahmens für die Ausbildung - unabhängig von Studienwechsel oder Studienabschnitten - die bessere und gerechtere Variante wäre. Damit würden die bürokratischen Hürden, die sogar schnelle Studenten finanziell schlechter stellen, zumindest teilweise der Vergangenheit angehören.

In dem Bericht heißt es dazu: "Mit dieser Änderung, die vom Ministerium jedoch bislang nicht in Erwägung gezogen wird, wären auch unbefriedigende Auswirkungen des geltenden Rechts bei unterschiedlichen Studienabschnittsunterteilungen gleicher Studien an verschiedenen Universitäten beseitigt."
(Anita Zielina, derStandard.at, 29.4.2009)