Wien - Mit einer Infokampagne will die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) das Bewusstsein für Demenz und vor allem die häufige Alzheimer-Krankheit fördern. In einem ersten Schritt werden in der kommenden Woche an 8.700 Arzt-Praxen Broschüren und Plakate mit dem Titel "Leben mit Vergessen" versendet, erklärte dazu ÖÄK-Präsident Walter Dorner bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Wien. Erklärtes Ziel ist die möglichst frühe Erkennung der Erkrankungen.

"Mit Alter besser umgehen"

Die Zahl von derzeit rund 100.000 Alzheimer- und Demenz-Patienten in Österreich dürfte nach Auskunft von Dorner schon aus demografischen Gründen in den kommenden Jahrzehnten auf rund 300.000 steigen. Anstatt sich Anti-Aging-Illusionen hinzugeben und auf Botox zu setzen, sollte man lieber lernen, mit dem Alter besser umzugehen, ist der Ärztekammer-Chef überzeugt. Alzheimer und Demenz seien bis heute ein Tabu-Thema, dabei müssten Vorsorge, Früherkennung und Behandlung forciert werden.

Erste Symptome

An vorderster Front bei der Früherkennung stehen einerseits Angehörige und auch die Hausärzte, sagte Reinhold Schmidt, Präsident der österreichischen Alzheimergesellschaft. Als erste Symptome einer Demenz-Erkrankung zeigen sich häufig Vergesslichkeit oder auch Wesensveränderungen und Einschränkungen des Urteilsvermögens, die praktisch nur von den Angehörigen, aber kaum von den Patienten selbst wahrgenommen werden. Auch Hausärzte, welche Menschen teilweise über Jahrzehnte betreuen, könnten solche Veränderungen feststellen. Aber auch für praktische Ärzte sei eine exakte Diagnose im Anfangsstadium schwierig, sagte Andrea Kubec, niedergelassene Ärztin in Wien.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

"Demenz ist nur ein Syndrom, Alzheimer ist zwar die häufigste Ursache, es kommen aber etwa auch Schilddrüsenerkrankungen oder Schlaganfälle in Frage", so Schmidt. Bei Verdachtsfällen muss daher weitere Blut-, Ultraschall- oder Magnetresonanzuntersuchungen Klarheit schaffen. Dafür ist es wichtig, die Schnittstellen zwischen praktischen Ärzten und Neurologen bzw. Psychiatern möglichst einfach zu gestalten. Dazu brauche es vor allem auf dem Land mehr Neurologen und Psychiater.

Burnout bei Angehörigen

Im Verlauf der Behandlung dürften die enorm belasteten pflegenden Angehörigen und auch das professionelle Pflegepersonal nicht vergessen werden. Etwa sieben von zehn Demenz-Patienten werden zu Hause gepflegt. Meist gehe es dabei den Angehörigen im Verlaufe der Krankheit "schlechter und schlechter", so Franz Memelauer, Obmann der Bundesfachgruppe Neurologie in der ÖÄK. "Burn-out" und Depressionen seien nicht selten.

Die Experten forderten daher den Ausbau der Supervision für pflegende Angehörige. Weiters sollten diese Personen die Möglichkeit für Urlaub erhalten, indem sie ihre kranken Verwandten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen zur Kurzzeitpflege unterbringen. Erholungsaufenthalte für Pflegende würden derzeit nur von der Bauernkrankenkasse bewilligt, so Memelauer. Insgesamt müsse klar sein, dass Demenz- und Alzheimererkrankungen einen wachsenden Teil des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen werden, ist Dorner überzeugt.

Mehr Geld für Ausbildung gefordert

Mehr finanzielle Unterstützung forderte Dorner in einer Aussendung für die Medizinischen Universitäten. Nur so können die heimischen Medizin-Unis im internationalen Wettbewerb bestehen. Laut Aussagen von Ärztevertretern verlassen viele der besten Ärzte wegen der schlechten Arbeitsbedingungen die Universitäten. Die durchschnittliche Arbeitszeit der Ärzte im Wiener AKH liege bei 69,7 Stunden, 40 Prozent würden laut Befragung auch mehr als die erlaubte Höchstarbeitszeit von 72 Stunden pro Woche leisten. (APA)