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Foto: AP/Jarek Praszkiewicz

Warschau - Fast 65 Jahre war die Botschaft von sieben verzweifelten jungen Insassen des NS-Vernichtungslagers Auschwitz in einer Betonmauer verborgen. Jetzt wurde sie zufällig bei Renovierungsarbeiten in einem Keller nahe des ehemaligen Lagers entdeckt, wie ein Sprecher des Auschwitz-Museums sagte.

Sieben Namen

Polnische Arbeiter fanden am 20. April den in einer Flasche steckenden Zettel der sieben jungen Männer. Er trug das Datum 9. September 1944. Mit Bleistift geschrieben standen dort die Namen der Männer, deren Lagernummern und Heimatorte. Auch ihr Alter hatten sie angegeben - sie waren zwischen 18 und 20 Jahre alt. Sechs kamen aus Polen, einer aus Frankreich.

"Das waren junge Leute, die versuchten, irgendeine Spur ihrer Existenz zu hinterlassen", sagte Museumssprecher Jarsolaw Mensfelt. Zwei der Häftlinge überlebten nach seinen Angaben das Lager. Das Gebäude, in dem die Flasche mit dem Zettel versteckt war, diente der SS während des Zweiten Weltkriegs als Depot.

Kaum Reaktionen auf Hilferuf

Indessen wurde bekannt, dass auf Polens Hilferuf, bei der Renovierung des KZ Auschwitz zu helfen, nur Deutschland eine konkrete Zusage gemacht hat - jedoch nur eine Million Euro. Deshalb will sich der ehemalige polnische Außenminister und Auschwitz-Häftling Wladyslaw Bartoszewski engagieren und noch einmal an die Staaten der Welt appellieren, berichtete die Zeitung "Dziennik" am Mittwoch.

Außer Deutschland haben bisher nur Frankreich, Malta und Großbritannien angekündigt, dass sie der Initiative des polnischen Premiers beitreten werden. Konkrete Hilfsbeträge wurden aber nicht genannt. "Alle sind davon überzeugt, dass man viel mehr als nur eine Million Euro geben soll, aber niemand wird das tun, so lange die Deutschen nicht mehr geben, weil gerade sie für den Holocaust verantwortlich sind", erklärte ein polnischer Diplomat, der anonym bleiben wollte, gegenüber der Zeitung.

"Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Wir müssen dringend Fundamente von 50 gemauerten Gebäuden in Birkenau austauschen, die sich aus dem sumpfigen Erdboden lösen. Und das ist ja erst der Anfang eines 20 Jahre langen Sanierungsprogramms", betonte Jacek Kastelaniec, Generaldirektor der neu geschaffenen Stiftung zum Erhalt der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.

Keine Erklärung

Albert Veissid kann sich nicht erklären, wie sein Name und seine Häftlingsnummer in die Flaschenpost geraten sind. "Ich erinnere mich an alles im Lager, von A bis Z", sagt der 84-jährige Franzose, der im Zweiten Weltkrieg ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden war und es als einer der wenigen jüdischen Gefangenen überlebte. Dass polnische Bauarbeiter jetzt eine eingemauerte Flasche mit einem Zettel fanden, auf der sein Name steht, stellt Veissid vor ein Rätsel.

Veissid kann sich erinnern, den sechs anderen Gefangenen in dem Konzentrationslager begegnet zu sein. Er habe als Maurer an einem Luftschutzraum für die Deutschen gearbeitet, nachdem er im Mai 1944 nach Auschwitz deportiert wurde, sagt der heute 84-Jährige, der in Allauch in Südfrankreich zu Hause ist. Den sechs inhaftierten Polen habe er bisweilen einen Gefallen getan - "die haben oft Marmeladeneimer geklaut, die ich versteckt habe". Vielleicht hätten sie deshalb "zum Dank" auch seinen Namen auf die Liste geschrieben, die sie in der Flasche versteckten, mutmaßt Veissid.

"Ich war ein wandelndes Knochengerüst"

Der Franzose war gerade 20 geworden, als er in das Konzentrationslager gebracht wurde. In Konstantinopel - dem heutigen Istanbul - geboren, war er als Kleinkind mit seiner Familie nach Frankreich gekommen; bis zu seiner Festnahme im Sommer 1943 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Musiker und Verkäufer. Nach seiner Rückkehr musste er drei Jahre lang in einem Sanatorium behandelt werden. "Ich war ein wandelndes Knochengerüst", sagt Veissid. "Noch eine Woche länger, und ich wäre nicht zurückgekommen."

Veissid spricht nicht gern über diese Zeit. Viele andere Überlebende hätten danach Vorträge in Schulen gehalten, "ich habe das nie getan". Aber diese Geschichte mit der Flaschenpost habe ihn aufgewühlt. Sie habe ihn zum Reden gebracht, sagt der alte Mann und lächelt.

Hintergrund

In Auschwitz-Birkenau wurden zwischen 1940 und 1945 schätzungsweise 1,5 Millionen Juden, viele Tausend Sinti und Roma sowie Polen ermordet. Der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers durch die Rote Armee am 27. Jänner 1945 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt. (APA/AP)