Nicht nur, dass ich diese Auszeichnung unverdienterweise erhalte - und bitte mir zu glauben, dass das keine Koketterie ist -, sie stürzt mich auch in ein fast unlösbares Dilemma.

Schreibe ich künftig kritisch über Ungarn, dann wird man sagen: Das macht er, um nicht in den Verdacht der Parteinahme zu geraten. Schreibe ich positiv, wird es heißen: Eh klar, jetzt, wo er ausgezeichnet wurde.

Der einzig mögliche Ausweg: Ich schreibe gar nichts mehr über Ungarn und lerne stattdessen Ungarisch.

Vielleicht war ja genau das beabsichtigt.

Nach diesem kleinen Scherz nun zum ernsteren Teil. Es gibt Menschen, die sich viel, und solche, die sich weniger aus Orden machen. Ich gehörte bis vor kurzem zu Letzteren. Aber abgesehen davon, dass die Eitelkeit ein süßes Gift ist, dessen Wirkung man sich kaum entziehen kann, bedeutet mir diese Auszeichnung in einem weiteren Sinn sehr viel. Nämlich als Symbol: als Symbol für einen wahr gewordenen Traum.

Als Jugendlicher mit aufkeimendem Geschichtsbewusstsein habe ich mir oft gedacht, wie wunderbar es doch in jenem versunkenen mitteleuropäischen Vielvölkerstaat, trotz aller Gegensätze, gewesen sein musste: kulturelle und sprachliche Vielfalt, ein großer Wirtschaftsraum, offene Grenzen. Da war natürlich viel Verklärung und Idealisierung dabei, garniert mit K.-u.-K.-Nostalgie.

Aber niemals hätte ich mir damals träumen lassen, dass wir ein paar Jahrzehnte später wieder in einem freien, offenen Mitteleuropa, fast ohne Grenzen, leben würden.

Und noch viel weniger hätte ich mir träumen lassen, dass ich selbst das Privileg genießen würde, als Journalist mit dabei zu sein bei diesem atemberaubenden Wandel.

Für viele ist das heute, 20 Jahre nach dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs, bei dem Ungarn eine entscheidende Rolle spielte, selbstverständlich. Für viele ist es nicht nur nichts Besonderes, sondern sogar etwas Beängstigendes.

Da ist einiges schiefgelaufen, auch in den Medien.

Aber wiederum hatte ich das Glück und das Privileg, bei einer Zeitung zu arbeiten, für die Mitteleuropa im kulturellen, nicht im nostalgischen Sinn, einen Gutteil des Selbstverständnisses ausmacht.

Da gab und gibt es eine gemeinsame Wellenlänge mit Gerfried Sperl und seiner Nachfolgerin Alexandra Föderl-Schmid, und mit vielen Kolleginnen und Kollegen, vor allem aus meinem Heimatressort: dem Südtiroler Christoph Prantner; András Szigetvari, unserem umtriebigen "Graf Andrássy"; Julia Raabe, der Beutewienerin mit norddeutsch-ostpreußischen Wurzeln; Gudrun Harrer, die von Oberösterreich über Salzburg auf dem "Umweg" über Deutschland und Italien nach Wien gelangte; Adelheid Wölfl und Birgit Deisting, meinen steirischen Landsfrauen; und mit Markus Bernath, dem Bayer, der gerade auf seiner Datscha am Schwarzen Meer werkelt. Wir sind eine gute mitteleuropäische Mischung und, vielleicht auch deshalb, ein wunderbares Team.

Ein Traum ist wahr geworden.

Das symbolisiert diese Auszeichnung für mich. Sie gilt daher auch all jenen, die ich eben genannt habe.

Aber im Angesicht der Krise wissen wir, dass dieser verwirklichte Traum nicht in Stein gemeißelt ist. Und dass wir unaufhörlich daran arbeiten müssen, dass er sich nicht wieder verflüchtigt.

Die Auszeichnung, für die ich mich auch im Namen aller Mitgeehrten herzlich bedanke, wird uns daran erinnern. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 30.4./1.5.2009)