Aufenthaltsräume an der Andrássy im Stadtteil Pest.

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Aufenthaltsräume an der der Technischen Uni im Stadtteil Buda.

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Patricia Laukó und Orsolya Nemesházy studieren an der Andrássy.

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Kanzler Márton Méhes ist für die wirtschaftlichen Belange der Andrássy zuständig.

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Glanz an der Privatuni.

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Farbe an der TUB.

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Gefühlte 40 Grad hat es in einem Nebengebäude der Technischen Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Budapest (TUB). Schmutzige Fensterscheiben, renovierungsbedürftige Wände, lädierte Hörsaaltüren und der dunkle Boden laden nicht gerade zum Lernen ein. Trotzdem: Tief versunken in ihre Laptops und Bücher sitzen hier StudentInnen in den Gängen an scheinbar willkürlich angeordneten Tischen und lernen. Jene, die Gruppenarbeiten erledigen müssen, flüstern und bewahren die geschäftige Stille, die hier herrscht. Auf Handyklingeltöne und lautes Telefonieren wartet man hier vergeblich, in diesem riesigen Gebäudekomplex der TUB, der sich direkt am Donauufer im Stadtteil Buda erstreckt.

Wer sich auf die Suche nach Gegensätzlichkeiten zwischen den Stadtteilen Buda und Pest macht, findet sie auch. Zirka 15 Straßenbahnminuten entfernt, im Stadtteil Pest, liegt die privat geführte Andrássy Universität. Dort lehnt Kanzler Márton Méhes lässig in einem schwarzen Ledersessel. "Es ist nicht zu unterschätzen und zu leugnen, dass dieses Palais dazu beiträgt, dass diese Uni einen guten Ruf hat. Es ist einfach repräsentativ. Mit einem Neubau außerhalb von Budapest wäre es schwierig", sagt Méhes. Das Uni-Gebäude diente bis zu dem Tod von Graf Taszilo Festetics 1933 als Stadtpalast der Hochadelsfamilie, wie man hier gerne betont.

Ein Hauch von Imperialismus

In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das ungarische Nationalmuseum und der ungarische Rundfunk. Dort lümmeln Katzen im Garten des Innenhofes und lassen sich sonnen. Wer aber "die Andrássy" betreten will, muss erst eine elektronische Absperrung passieren. Nicht nur strenge Sicherheitsvorkehrungen, sondern auch ein Hauch von Imperialismus erwarten einen im zartgelb gestrichenen Stiegenhaus.

Méhes ist als Kanzler in erster Linie für die wirtschaftlichen Belange der Privatuniversität zuständig. Aber auch die Imagebildung der Universität - sie gehört zum wichtigsten Kapital einer Bildungseinrichtung - zählt zu seinen Aufgaben. Stolz erzählt er, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hier war. Auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn hat der Uni einen Besuch abgestattet - und über den Bolognaprozess gesprochen.

"Hardly any girls"

Um ihr Image muss sich die Technische Uni jedenfalls keine Sorgen machen. Die altehrwürdige Hochschule wurde 1782 von Kaiser Josef dem Zweiten gegründet. 24.000 StudentInnen sind hier eingeschrieben - im Gegensatz zur Andrássy ist das Studieren hier, wie an allen Massenunis, weniger komfortabel: Überfüllte Seminare, verbesserungswürdige Betreuungsverhältnisse und "hardly any girls". So beschreibt Informatikstudent Máté die Gegebenheiten an der TUB. Máté muss für sein Bachelor-Studium nichts bezahlen, aber der Studienverlauf verzögert sich voraussichtlich. "In diesem Semester bin ich in einem Seminar abgewiesen worden, weil es überfüllt war". Máté rechnet damit, dass er sein Studium erst nach sieben Semestern, statt der geplanten sechs abschließen kann.

165.000 Forint pro Semester

Anders ist das bei der Andrássy. Dort sind Studiengebühren zu bezahlen, dafür kann man aber auch mit einem zügigen Studienverlauf rechnen. Derzeit kostet ein Semester - egal ob man ein Master- oder Doktoratsstudium belegt - 165.000 Forint. Das entspricht - nach jetzigem Wechselkurs - etwa 550 Euro. Bemerkenswert: In den Unterlagen der Andrássy wird der entsprechende Betrag noch mit 600 bis 650 Euro umgerechnet. Eine moderate Erhöhung der Studiengebühren sei angedacht, erzählt Méhes. Im Durchschnitt müsste man in Ungarn ein Monat lang arbeiten, um die Semestergebühren an der Andrássy begleichen zu können.

Patricia Laukó, Studentin an der Andrássy, findet die Studiengebühren gerechtfertigt. "Dafür bekommen wir ja auch etwas geboten", sagt die Studentin der Internationalen Beziehungen und Internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Der Absolventin einer "deutschen Massenuniversität" gefällt es hier "viel besser, als an meiner alten Uni". Gemeinsam mit ihrer Kollegin Orsolya Nemesházy erklärt sie die Vorzüge der Andrássy. Unter den zirka 140 Studierenden sei der Zusammenhalt groß, "wir helfen uns gegenseitig". Was ihre berufliche Zukunft betrifft, scheinen sie recht zuversichtlich gestimmt zu sein. Perfekt gestylt und gut gelaunt, so erzählen die beiden StudentInnen über ihre Berufsperspektiven. Laukó würde am liebsten als Diplomatin, in einer internationalen Organisation oder in einem internationalen Konzern "am besten mit Auslandsreisen", arbeiten. Nemesházy interessiert sich "tierisch für Minderheiten" und überlegt, in die Politik zu gehen.

Darauf, dass der Abschluss ihrer AbsolventInnen hoch im Kurs steht, ist auch der Kanzler bedacht. Gerade Ungarn hätte nach der Wende viele "Diplomfabriken" hervorgebracht. "Man zahlt und bekommt ein Diplom, ob man tatsächlich Kompetenzen aufweist ist jedoch sehr zweifelhaft", so Méhes. Unter anderem auf Grund der Stellenanzeigen, die Absolventen bestimmter Hochschulen ausschließen, hätte sich "diese Linie selbst zerstört". Als Privatuni müsse man darauf achten, dass das Image nicht kippt.

Klein aber fein, so möchte man es an der Andrássy beibehalten. In der Gründungsurkunde sei die Zahl der Studierenden auf 350 limitiert worden. "Wir möchten uns nicht in Richtung Massenuniversität entwickeln", sagt Méhes und verweist stolz auf das Betreuungsverhältnis. Auf sieben Studenten kommt ein Lehrender, wobei bei den Lehrenden auch Gastprofessuren mitgerechnet sind.

Um die 100.000 Studenten sind an den Hochschulen von Budapest eingeschrieben - das sind doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Wer das Glück hat, aus einem Land mit höherem Lohnniveau als Ungarn zu kommen und von seinen Eltern gesponsert wird, kann in Ungarn relativ günstig in einer der schmucken Altbauten in der Innenstadt wohnen. Patricia Laukó bezahlt für ihre 45 Quadratmeter große Wohnung etwa 300 Euro Miete. Zum Vergleich: Etwas weniger als 300 Euro pro Monat haben in Ungarn Pensionisten durchschnittlich zum Leben. Wer eine WG gründet oder sich auch mit einer Bleibe außerhalb des Zentrums zufrieden gibt, kann günstiger wohnen.


"... and nothing else matters"

Wie lange er täglich an der Uni ist? Den ganzen Tag, erklärt Máté, der TU-Student. In den Wartezeiten zwischen den Vorlesungen sitzt er meistens hier und lernt. Der 21-Jährige mit den langen Haaren und seinem Iron Maiden-Shirt gibt sich bedeckt, wenn man ihn fragt, was er an seiner Uni ändern möchte. Nur ein "wir haben sehr viel zu tun" ist ihm zu entlocken. Máté wohnt noch zu Hause bei seinen Eltern und gedenkt das bis zum Ende seines Bachelor-Studiums so beizubehalten.

"Zwei Städte, und zweimal grundverschieden wie Tiefebene und Mittelgebirge ... Buda in den Bergen, Pest tosend in Rauch und Neon... Die Donau trennt und hält doch zusammen", hat Franz Frühmann einmal geschrieben. Auch wer Gemeinsamkeiten zwischen Buda und Pest sucht, wird fündig.

Nachmittags in einem Supermarkt unweit der noblen Andrássy. Stress an der Kassa, drückende Hitze. Von einer Klimaanlage können die KundInnen und VerkäuferInnen hier nur träumen. Lange Warteschlangen vor der großzügig befüllten Fleischtheke. Aus den rauschenden Boxen hört man Musik, die in einem österreichischen Lebensmittelgeschäft mit seinen Gute-Laune-Sendern wohl nicht gespielt werden dürfte. "Open mind for a different view, and nothing else matters", singen Metallica vor. (burg/derStandard.at, 9. Mai 2009)