Die Malerin Hildegard Joos zählte zu den wenigen österreichischen VertreterInnen des Konstruktivismus. Und sie war die erste Frau, der die Sezession im Jahr 1958 eine Einzelausstellung gewidmet hat. Seit 1959 unterhielt sie gemeinsam mit ihrem Mann und künstlerischem Wegbegleiter Harold Joos ein Atelier in Paris. Ihre wesentliche Prägung erfuhr die gebürtige Niederösterreicherin im Pariser Konstruktivisten-Salon "Realites Nouvelles", wo sie 1972 Aufnahme gefunden hatte.

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Geboren wurde Hildegard Joos am 7. Mai 1909 in Sieghartskirchen/Niederösterreich, wo sie ihre Mädchenzeit verbracht hat. Relativ spät, erst in den Nachkriegsjahren, nahm sie ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien auf. Ihre ersten Arbeiten waren figürlich, farbig und expressiv. "Ich habe mich nie an Vorbildern orientiert", betonte die Malerin gerne. "Ich war immer ein Original." Nur an eine einzige Ausnahme könne sie sich erinnern: Kurzfristig faszinierte sie der französische Maler Georges Rouault (1871-1958), was bei ihr Mitte der 50er-Jahre prompt zu einer "Schaffenskrise" geführt hätte.

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1954 wurde die Künstlerin Mitglied der Wiener Secession. "Kunst ist ein nobles Spiel", sagte Joos einmal, "egal, ob man sich mit Geometrismen oder Farbflecken beschäftigt." Eines ihrer bevorzugten Muster war das Schachbrett und Rasterbilder, denn "diese Einfachheit interessiert mich am meisten in der Kunst", so Joos.

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Die Begegnung mit dem Genfer Philosophen und Kritiker Harold Joos, einem Bewunderer der abstrakten Kunst, der Geometrie und Mathematik, in Frankreich bezeichnet die Malerin als "die große Zäsur in meinem Leben". Gemeinsam mit ihm entwickelte sie die "Narrativen Geometrismen", die Mal- und Farbenlust mit streng geometrischen Formen vereinen.

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Anfänglich signierte das KünstlerInnenpaar seine Gemeinschaftsarbeiten mit "Hildegard Joos", ab 1980 mit "H+H Joos". Ab 1992 sind die sogenannten Raumnarrative entstanden, monochrome Flächen mit kleinen narrativen Elementen in einer der Bilderecken. Die letzten Jahre emanzipierte sich Hildegard Joos künstlerisch wieder zusehends von ihrem Mann und löste sich in ihren Arbeiten von formaler Strenge.

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Schachbrett- und Rasterbilder waren dann aber weiterhin Bestandteil ihres künstlerischen Schaffens. Immer habe sie Fertiges übermalt und Mut zum Zerstören gehabt, es sei ein "Vorteil des Alters, zu wissen, wann mit dem Perfektionismus Schluss sein muss", meinte Hildegard Joos Jahre vor ihrem Tod.

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Ihr Mann Harold, der im Mai 2004 gestorben ist, hatte sich bis zu seinem Tod um die altersbedingt geh- und sehbehinderte Hildegard gekümmert. Danach wurde sie von privaten PflegerInnen betreut, die ihr täglich die Malutensilien vorbereiteten. Bis zuletzt arbeitete sie täglich vormittags an ihrem Werk, und was sie nicht mehr auf der Leinwand sehen konnte, "sah sie im Kopf", so eine Freundin.

Hildegard Joos starb am 17. Jänner 2005 in Wien.

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Bilder von Hildegard Joos befinden sich in den Sammlungen der Österreichischen Galerie Belvedere, im Museum für Moderne Kunst Stiftung Ludwig, im Lentos Museum, so wie in zahlreichen privaten Sammlungen - beispielsweise besitzen Gertraud und Dieter Bogner  rund vierzig Arbeiten von Hildegard Joos.
(APA/dabu/dieStandard.at/06.05.2009)

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