Wien/ Hamburg- Ein langjähriger Fixpunkt im Fernseh-Jahresrhythmus fällt heuer aus: Der ORF überträgt die Auftritte der Finalisten beim Song Contest, an dem Österreich heuer wieder nicht teilnimmt, nicht live. Beim Finale am 16. Mai gibt es nur die Punktevergabe aus Moskau live zu sehen, die Auftritte folgen erst danach. Statt den Song-Präsentationen gibt es ab 20.15 Uhr die Live-Übertragung des "Life Balls". Direkt davor können Song Contest-Fans in einer Zusammenfassung die Finalisten kennenlernen. Die von Ö3-Moderator Benny Hörtnagl kommentierte Punktevergabe startet um 23.00 Uhr, ab 0.20 Uhr gibt es dann die Auftritte. Heuer erstmals "live-zeitversetzt" übertragen will ORF 1 hingegen beide Semifinalshows (am 12. Mai ab 0.40 Uhr und am 14. Mai ab 0.20 Uhr).

Beim 54. Eurovision Song Contest 2009 wird alles anders - zumindest ein bisschen. Fünf Jahre nach der kompletten Abschaffung der Jurys und dem hundertprozentigen Vertrauen auf das Televoting der Zuschauer haben die Grand-Prix-Macher nun einen Kompromiss ausgehandelt: Die Zuschauer in den Teilnehmerländern bestimmen weiter per Telefon und SMS ihren Favoriten, gleichzeitig stimmt aber auch eine nationale Jury ab. Beide Voten werden je zur Hälfte gewertet - die zehn bestplatzierten Songs bekommen Punkte: Zuerst zwölf, dann zehn und weiter acht bis einen Punkt. Damit will die Europäische Rundfunk-Union (EBU) das sogenannte Nachbarschaftsvoting befreundeter Länder unterbinden, das in den vergangenen Jahren häufig kritisiert, aber nie wirklich nachgewiesen wurde.

Das Gros der 42 Teilnehmerländer muss - wie schon in den vergangenen Jahren - in zwei Halbfinals um den Einzug ins Finale singen. Die jeweils besten zehn Interpreten kommen ins Finale 16.5., wo sie auf die bereits qualifizierten "großen Vier" EBU-Geldgeber Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien sowie Gastgeber Russland treffen.

Kundgebungen  mit Polizeigewalt auflösen?

Durchwachsenes Interesse an der Teilnahme: San Marino ist nach dem Debüt im vergangenen Jahr diesmal aber nicht mit von der Partie, Österreich verzichtet bereits zum zweiten Mal in Folge, Italien ist schon seit Jahrzehnten nicht dabei. Und Georgien zog seine Teilnahme kurzfristig zurück, nachdem der Song "We Don't Wanna Put In" wegen der Anspielung auf den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin als zu politisch von der EBU disqualifiziert worden war. Dafür nimmt die Slowakei wieder am Grand Prix teil - nach immerhin zehn Jahren Pause.

Knapp 30 Millionen Euro lässt sich Russland den Spaß trotz Krise kosten. Im Auftrag des russischen Staatsfernsehens verwandelt der Designer John Casey den Sportkomplex in ein "einzigartiges, farbenprächtiges Fantasy-Land" mit 23.000 Plätzen. Tausende Polizisten sollen während der Grand-Prix-Zeit vom 9. bis 17. Mai auf den Straßen Moskaus für "Ordnung" sorgen. In diesen Tagen werden rund 300.000 Menschen zu den Konzerten erwartet - unter anderem auch zum Public Viewing auf dem Roten Platz. Im Vorfeld trübten allerdings bei vielen Fans der Preiswucher der russischen Ticketmafia, die überteuerten Hotels und das Verbot von Schwulen- und Lesbenparaden die Freude auf den Grand Prix.

Moskau hat angekündigt, gegen mögliche Kundgebungen Homosexueller  hart vorgehen zu wollen. "In Moskau hat es keine Schwulenparaden gegeben und wird es auch nie geben", sagte Sergej Zoj, Sprecher des Moskauer Oberbürgermeisters Juri Luschkow am Donnerstag: "Jeder Versuch, die ungenehmigte Aktion durchzuführen, wird entsprechend dem Gesetz von den Rechtsschutzorganen hart unterbunden". Mit derartigen Aktionen würden "die Moral unserer Gesellschaft untergraben und bewusst Unruhen provoziert, welche das Leben und die Sicherheit der Moskauer und der Gäste der Stadt gefährden". Auch Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und anderer Konfessionen sowie von Jugend- und Veteranenorganisationen würden die Parade  ablehnen. Homosexuellen-Organisationen hatten angekündigt, trotz Verbot eine Love-Parade in Moskau veranstalten zu wollen. Bürgermeister Luschkow, der für seine homophobe Einstellung bekannt ist, räumte ein, dass Schwule und Lesben seit 1993 per Gesetz nicht mehr bestraft werden dürfen, allerdings seien sie "in der russischen Gesellschaft bis heute nicht akzeptiert". Die Stadt hatte Kundgebungen zuletzt mit Polizeigewalt auflösen lassen. (APA/dpa)