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Christoph Matznetter
Standard: Sie schlagen in einem Brief an die Budgetsprecher der anderen Parteien vor, die Steuerreform als gemeinsamen Initiativantrag gesetzlich zu verankern. Ist das nicht bloßer Aktionismus?
Matznetter: Brutal gesprochen wollen wir eine viel stärkere Entlastung. Wir wollen sie früher, stärker und durch die Erhöhung der Negativsteuer auch bei jenen, die derzeit kaum oder gar keine Lohnsteuer mehr zahlen. Weil in diesem Bereich die kalte Progression nicht so stark gewirkt hat, dafür aber die Gebührenerhöhung der letzten zweieinhalb Jahre wirkliche Einschnitte in zum Leben verfügbare Einkommen waren.
STANDARD: Welches Volumen hätte Ihr Steuerreformmodell?
Matznetter: Eine Bruttoentlastung von 1,8 bis zwei Milliarden Euro. Wir gehen davon aus, dass zumindest die Hälfte an Rückfluss da ist, sodass unser Volumen im Prinzip trotz der viel stärkeren Form in Wirklichkeit nur das Doppelte von dem wäre, was die Regierung vorhat. Das sind 400 Millionen Nettokosten für das Budget, und wir gehen bei 1,8 Milliarden Bruttokosten von rund 900 Millionen bis eine Milliarde aus.
STANDARD: Grasser argumentiert, es habe keinen Sinn, die Wirtschaft antizyklisch mit einer Steuerreform anzukurbeln, weil wie in Deutschland der Großteil des frei werdenden Kapitals in die Sparquote fließt.
Matznetter: Wenn ich so vorgehe wie Rot-Grün in Deutschland, erziele ich die Wirkung nicht. Der Hauptteil der Entlastung dort wurde durch die Entlastung der Körperschaftssteuer der Großindustrie gegeben. Da ist logisch, dass bei so einer Politik das Kapital in die Finanzveranlagung geht. Der Zynismus, als Finanzminister zu behaupten, wenn ich Kleinsteinkommen entlaste, tragen das die Menschen auf die Bank, zeigt eine Unkenntnis der Lebensumstände, die erschreckend ist. Wir reden von Durchschnittseinkommen von 1510 Euro brutto, das ist ein Nettobezug von 1100 Euro im Schnitt - was soll der sparen? Der muss schauen, dass er im Supermarkt seine Rechnung bezahlen kann.
STANDARD: Wo würden Sie ansetzen?
Matznetter: Die Hauptentlastung würde beginnen mit 800 Euro pro Jahr im untersten Einkommensbereich und hätte sich verschliffen auf null bei ab 40.000 Euro Jahreseinkommen. Je mehr einer verdient, umso geringer die Entlastung.
STANDARD: Mit sofortigem Beginn?
Matznetter: Wir wollten mit 2003 beginnen, deshalb hatten wir unseren Antrag schon Mitte 2002 ins Parlament eingebracht. Natürlich wäre uns am liebsten 1. Juli, aber dazu wird die Regierung nicht bereit sein. Wir wären auch glücklich, wenn es 2004 passiert - schon deswegen, weil wir sehr skeptisch sind, ob die Konjunktur heuer anspringt.
STANDARD: Grassers Argument ist, mit der Steuerfreiheit ab 14.500 Jahreseinkommen brutto komme die erste Etappe ohnehin ab Jänner 2004
Matznetter: Das macht er ja nicht.
STANDARD: Grasser sagt, es sei beschlossen.
Matznetter: Wenn es so ist, dann wäre es keine Problem, das gleich per Gesetz zu fixieren. Wir trauen dem nur nicht. Es war ja schon im letzten Regierungsprogramm beschlossen, dass zum Jahr der Ernte 2003 die Entlastung kommt. Und mit dem ersten fallenden Regen im August 2002 wurde das allen Zusagen zum Trotz abgesagt. Solange es nicht Gesetz ist, trauen wir dem nicht, und auch die FPÖ traut den Versprechungen nicht. Warum also will man es erst im Mai beschließen? Doch nur, weil es noch nicht sicher ist.
STANDARD: Was halten Sie von Grassers Credo, in der Rezession zu sparen, damit man danach Geld für eine Steuerreform hat?
Matznetter: Es gibt kein danach. Er kann nicht sagen, jetzt mache ich das und dann vielleicht das. Da hätte er Pressesprecher bei Stronach bleiben müssen. Jetzt hat er eine Situation, wo er einer Managementaufgabe entgegensieht und braucht einen Policy-Mix, wo mehrere Faktoren in einem dynamischen Prozess berücksichtigt werden müssen. Wenn wir warten, bis wir gespart haben, und dann geben wir Geld her, dann heißt das in der heutigen dynamischen Wirtschaft, zwei Jahre zu verlieren. Und das heißt, dass ich im BIP und damit im Einkommen aller Österreicher unter Umständen zehn oder 20 Milliarden Euro in den Wind geschrieben habe. Ist doch logisch: Wenn ich jetzt nicht Gas gebe, komme ich nicht weiter.
(DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2003)